SPD-Fiasko in Berlin: Miserable Verwaltung, abgehobene Politik

Berlin lebte lange vom Nimbus, Scheitern sei sexy. Wer einen Termin im Meldeamt wollte, musste wegen Personalmangels und fehlender IT-Infrastruktur schon mal ein Jahr warten. Die Pointe: Das Bußgeld fürs Nicht-Melden kommt schon nach 14 Tagen.
Solche Anekdoten erzählt jeder, der mal in Berlin gelebt hat. Und lange Zeit war das auch okay, denn die Stadt lebte nicht schlecht vom Laissez-faire ihrer Verwaltung. Ein neuer Club ohne Genehmigung am Spreeufer? Kein Problem, bis die Behörde kam, war man weitergezogen.
Seit der Pannenwahl vor eineinhalb Jahren, als die Berliner wegen miserabler Organisation und fehlender Wahlzettel stundenlang warteten und ihre Stimmen nicht abgeben konnten, ist das definitiv nicht mehr sexy. Das sollte nun auch die SPD wissen: Dass sie bei der Wahlwiederholung am Sonntag nach 22 Jahren im Rathaus hinter der CDU gleichauf mit den Grünen auf Platz zwei landete – im roten Berlin, in der liberalsten aller Städte Deutschlands – ist mehr als ein Dämpfer. Es ist eine Niederlage auf ganzer Linie.
Das Ergebnis ist ein Produkt des Wegschauens, Ignorierens und Liegenlassens. SPD-Bürgermeisterin Franziska Giffey, die 2021 noch knapp gewonnen hatte, wollte den Wahlgang nie als problematisch sehen: „Das macht mir keine Sorgen“, hatte sie noch lächelnd gesagt, bevor das Verfassungsgericht die Wahl aufhob und der 3,8-Millionen-Stadt Mängel attestierte, die nach Entwicklungsland klingen. Selbst die OSZE überlegte, Beobachter zu schicken. Viel gelernt hat die Partei daraus offenbar nicht. Giffey kündigte schon vor der Wahl an, auch von Platz zwei aus und gegen die CDU regieren zu wollen. Motto: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.
Das kann – und wird – ihrem Chef, SPD-Kanzler Olaf Scholz, nicht egal sein. Nicht nur, weil das auch auf ihn abstrahlt – in einer Zeit, in der die Kanzlerpartei bei gerade mal 19 Prozent dahindümpelt. Sondern auch, weil sich in Berlin nur verdichtet, woran es in Deutschland überall krankt: am übereifrigen Ordnungswahn, an kafkaesken Vorschriften, die in Stillstand münden. Im Vorzeigebundesland Bayern etwa versinkt man im Funkloch, weil Genehmigungsverfahren für Funkmasten teils absurd sind; wer ein Windrad bauen will, muss Tausende Seiten Antrag vorlegen – ausgedruckt.
Hürden wie diese machen viele Deutsche müde, und internationale Firmen – wie zuletzt Biontech – siedeln ab. Die deutsche Bürokratie ist vielerorts zu einem gruseligen Klischee verkommen. Dass Scholz dennoch mantraartig von der „Deutschlandgeschwindigkeit“ spricht, mit der er Neues aufbaue, klingt wie Hohn. Denn einlösen kann die Politik ihre Ziele gerade wegen dieser selbst auferlegter, überbordender Regeln nicht – und das schwächt das Vertrauen der Menschen in sie nur noch mehr.

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