PRO
Nur, weil seine Amtsvorgänger – Thomas Klestil und Heinz Fischer – sich bei ihrer jeweiligen Wiederkandidatur keiner öffentlichen Diskussion mit ihren Mitbewerbern stellten, ist es noch lange keine Tradition. Schon gar keine gute.
Dass Amtsinhaber Alexander Van der Bellen sich nicht mit seinen sechs Kontrahenten an einen Tisch setzen will und wird, ist ein Fehler.
Ein Fehler, weil er sich selbst damit der härtesten Währung beraubt, die es für einen Politiker (im Wahlkampf) gibt: öffentliche Aufmerksamkeit.
Ein Fehler, weil der Amtsinhaber keine Themen setzen, sondern lediglich auf jene der anderen Kandidaten reagieren wird (können).
Ein Fehler, weil sein Fehlen vor laufender Kamera genau das zum Thema bei seinen Mitstreitern machen wird, die ihm genau deshalb und zu Recht Respektlosigkeit unterstellen werden.
Fehlenden Respekt ihnen selbst gegenüber, weil Van der Bellen sich als einer von sieben Kandidaten nicht dem Wettbewerb stellt. Und mangelnden Respekt den Zusehenden und der potenziellen Wählerschaft gegenüber, die keine direkten Vergleiche ziehen werden können.
Ein Kardinalfehler, weil gerade in unsteten Zeiten, Nicht-Kommunikation nicht geht. Die Wahlberechtigten werden sich vielleicht genau deshalb eine Meinung bilden und ihre Wahlentscheidung treffen.
Johanna Hager ist stellvertretende Leiterin der KURIER-Innenpolitik
CONTRA
Alexander Van der Bellen kann wahrscheinlich wenig dafür, aber wann immer man an TV-Konfrontationen mit ihm denkt, geht es um eine Mineralwasserflasche. ATV hatte 2016 die gemeingefährliche Idee, die beiden Kontrahenten Norbert Hofer und Van der Bellen in ein unmoderiertes Duell zu schicken, bei dem die beiden Bewerber für das höchste Amt im Staate das Niveau unter den Teppich versenkten. Hofer hielt eine Wasserflasche in der Hand und hieß Van der Bellen, doch seinen Sermon da hinein zu reden. Sein Gegenüber zeigte ihm anhand einer Wischgeste, dass er glaube, Hofer habe einen Huscher.
Die Episode zeigt: Den Fernsehmachern fällt immer etwas ein, ob das für die Würde des Amtes in jedem Fall dienlich ist, muss massiv in Abrede gestellt werden. In Anbetracht der aktuellen Bewerber stelle man sich vor: Van der Bellen mit Gerald Grosz. Van der Bellen mit Marco Pogo. Van der Bellen mit Walter Rosenkranz. Van der Bellen mit einem Impfgegner. Van der Bellen gegen ...
Der Unterhaltungswert wäre da, aber eigentlich will man den ersten Mann im Staat nicht in der Rolle des Boxpartners für politische Möchtegerns sehen.
„Aber Walter Rosenkranz“, höre ich Sie sagen: Ja, er ist ein ernsthafter Kandidat. Aber formal sind alle mit 6000 Unterstützungserklärungen gleichzusetzen. Van der Bellen müsste also tatsächlich mit jedem in den Fernsehring steigen. Bis ein Aschenbecher fliegt.
Philipp Wilhelmer leitet die Debatte im KURIER
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