PRO
Was tragen Sie zu Weihnachten? Hemd und Krawatte? Ein adrettes Kleid? Gar Alltagsgewand? Wer weder over- noch underdressed sein will und gleichzeitig eine entspannte Note in den weihnachtlichen Stress bringen will, kann zum Ugly Christmas Sweater greifen. Dieser mit weihnachtlichen Mustern verzierte (Strick-)Pullover ist die Antithese zum starren Ritual: Weihnachten ist kitschig, am Tisch gibt es alberne Papa-Witze und der Nachwuchs rollt die Augen. Daneben gibt es Geschenke, einen wie immer viel zu großen Baum, zu viel zu essen, zu wenig Zeit für alle, die man gern hat, und außerdem mag man sich auch einmal aufs Sofa legen, wenn man schon mal zu Hause ist. Zeigen Sie mir eine der geschilderten Situationen, zu der ein Ugly Christmas Sweater nicht passt.
Nichts gegen elegante Garderobe, aber warum müssen wir an einem der nettesten Abende im Jahr so tun, als wären wir auf einer Art Gala? Oder wollen wir uns wirklich die Klamotten anziehen, die das ganze Jahr schon gut abgetragen wurden? Wohl kaum. Und deshalb gibt es saisonale Stücke, die uns aus dieser Patsche helfen. Die kitschigen Pullover helfen uns, den Rest der Kleidung niveaumäßig anzuheben, ohne übermäßig gespreizt zu wirken. Denn richtig gut sitzt so ein hässlicher Sweater über einem schönen Hemd, das in einer eleganten Hose steckt. Und das allerbeste: Die Kombination der Farben und Formen ist völlig zweitrangig, denn die Kombination ist immer unrettbar geschmacklos. Und damit todschick.
Philipp Wilhelmer leitet die Debatte.
CONTRA
Natürlich stapeln sich auch im eigenen Kasten die „Ugly Christmas Sweater“. Rot, weiß, dunkelblau, mit kleinen Kugeln, lachenden Lebkuchenmännern und glitzerndem Lametta. Getragen wurden sie, wenn überhaupt, einmal – schließlich hat man sich an den überfrachteten Pullis besonders schnell sattgesehen.
Ja, eine Zeit lang war es cool und hip, als wandelnder Christbaum durch die Gegend zu laufen. Im aufkommenden Instagram-Zeitalter und der zunehmenden Hipsterisierung schien die Formel für den perfekten Weihnachtspulli rasch erklärt: Je scheußlicher, desto selbstironischer, desto besser. Der „Christmas Jumper“, der seinen Ursprung auf den Färöer-Inseln hat und aus schlichter Schurwolle bestand, verkam zum Kitschobjekt und zur industriellen Ramschware. Das hat sich Weihnachten wirklich nicht verdient. Oder gibt es noch irgendjemanden, der Aufdrucke à la „Jingle My Bells!“ lustig findet?
In Wahrheit ist es doch so: Die letzte Person, die in einem Ugly Sweater originell und süß ausgesehen hat, war Colin Firth in „Bridget Jones“ (das Elch-Gesicht, Sie erinnern sich). Und das ist auch schon zwanzig Jahre her.
Was also anziehen, um sich kuschelig und weihnachtlich zu fühlen? Michelle Obama schwärmt in ihrem jüngsten Buch vom therapeutischen Effekt des (Pullover-) Strickens in rastlosen Zeiten. Das wäre doch diesen Advent eine hübsche Antithese zur hässlichen – und wenig festlichen – Fast Fashion. Back to Färöer, quasi.
Julia Pfligl ist Lebensart-Redakteurin.
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