PRO
Ja. Vielleicht täte es auch ein schlichterer Flügel als das kolportierte Prunkstück. Denn natürlich darf man fragen, was was kostet. Das kann aber mitunter ganz schön populistisch werden. Denn Kultur hat kein Leiberl in der öffentlichen Meinung. Wer sich an die Pandemie erinnert – die Frage: Wozu brauchen wir das? ist schnell gestellt.
Dennoch gehören Kulturangelegenheiten zu den öffentlichen Aufgaben und als solche auch ins Parlament, das übrigens einst von dem dänischen Stararchitekten Theophil Hansen und nicht von einem günstigen Teilzeitplaner erbaut wurde. Historischer Sitzungssaal, Pallas-Athene-Brunnen, Säulenhalle: Alles prächtig, golden, repräsentativ. Und hier hängt viel Kunst, auch von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern. Unter anderem wurden sämtliche Nationalratspräsidentinnen und Präsidenten verewigt, war sicher auch nicht ganz billig. Im Parlament finden außerdem immer Kultur- und Gedenkveranstaltungen statt, samt Musik und Schauspiel. Wenn jetzt ein Flügel einzieht, sollte man sich höchstens fragen, warum nicht schon längst einer da war.
Zum Hohen Haus gehört übrigens auch eine Bibliothek. Wer auch das für Luxus hält: Mit den Sammlungsschwerpunkten Demokratie und Parlamentarismus ist sie die größte politische Fachbibliothek Österreichs. Kurz reinlesen offenbart: Das Parlament und die darin aufbewahrten Schätze sind Allgemeingut und öffentlich zugänglich. Das Hohe Haus ist unser Haus. Gehen Sie einmal hin, aufregen können Sie sich immer noch.
Barbara Beer ist in der Sonntags-Redaktion.
CONTRA
Es wäre mitunter schön, wenn Menschen ihrer wahren Passion folgen würden: Wolfgang Sobotka etwa könnte mehr dirigieren und sich so eventuell aus dem politischen Schussfeld nehmen. Dass der Nationalratspräsident als Klassikfan einen vergoldeten Flügel für das neu zu eröffnende Parlament anmietet, lässt befürchten, dass er Amt mit Hobby vermischt.
Das Parlament umfasst den Nationalrat und die Länderkammer, den Bundesrat. Dort werden Gesetze beschlossen, adaptiert, geändert, abgeschafft... Auch für die Kultur in diesem Land, die sich von der Spitzenleistung in der Klassik bis zum Nachwuchstalent an der Kunstakademie erstreckt. Von Sammlungen von Weltrang bis zur hoffnungsvollen Garagenband.
Niemand hat etwas davon, wenn im Parlament geklimpert wird. Oder hat man etwa vor, regelmäßige Konzertreihen zu veranstalten, mit denen Musiker Geld verdienen?
Symbolisch steht der Bösendorfer- Flügel zudem auf einer schiefen Ebene: Während viele nicht mehr wissen, wie man sich die Dinge des täglichen Gebrauchs finanzieren kann, steht ein goldverbrämter Konzertflügel im zentralen Gebäude der Demokratie. Wie zum Spott für jene, die draußen nicht mehr weiter wissen. Guter Rat ist teuer, der Bösendorfer im Vergleich völlig unnütz.
Auch stilistisch lässt sich Einiges an dem Instrument aussetzen: Die Jugendstiloptik des Flügels ragt wie ein Fremdkörper aus dem historistischen Gebäude heraus. Jugendstil war Aufbruch. Historismus eine Flucht ins gestern. Wo stehen wir morgen?
Philipp Wilhelmer leitet die Debatte.
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