Politik – nur mehr ein Kampf um die Herzen

Mit Bildern und Emotionen wird Politik gemacht. Medien sind dazu da, dass auch das Hirn bemüht wird.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

In der kommenden Woche soll Medienpolitik gemacht werden. Bundesminister Gernot Blümel bespricht mit Medienleuten Erfahrungen und Strategien. Der Medienmarkt wird zunehmend von wenigen amerikanischen Konzernen, geheimen Algorithmen und „Gratisangeboten“, für die man aber mit seinen Daten oder Steuergeld zahlt, beherrscht. Auch demokratische Politiker fahren gegen kritischen Journalismus eine Vielfachstrategie: Öffentlich-rechtliche Sender werden von der Regierung besetzt, wem es nicht passt, der kann ja gehen, wie zuletzt in der Slowakei, wo zwölf Journalisten resignierten. Oder man spielt das traurige Spiel mit, wie der ORF-Chef, der tatsächlich behauptet, er würde sich bei Postenbesetzungen nicht mit der Politik absprechen. Glaubwürdigkeit kleiner gleich null.

Das uralte Muster der Politik: Zugriff auf den Journalismus über dienstbare oder gekaufte Geister. Die zweite Methode ist es, Medien, also die Vermittler, zu umgehen, etwa per Facebook. Beim Hearing des EU-Parlaments mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg verriet sich Brexit-Lügner Nigel Farage: Er habe den alten Algorithmus geschätzt, weil man da direkt die Menschen ansprechen konnte, mit dem neuen Algorithmus würde Facebook zu sehr drauf achten, dass die User untereinander vernetzt werden (siehe auch Seiten 39/40).

Die direkte Ansprache der Wähler hat auch ihre Tücken, wie Lega-Chef Salvini eben erlebt hat. Er hat per Video intensiv den ruhigen Staatspräsidenten Mattarella beschimpft, wurde aber von seinen Anhängern massenhaft dafür kritisiert, dass er bei der Regierungsbildung so stur war. Schließlich ist er eingeknickt.

Journalismus, der aufdeckt und aufklärtDie technische Entwicklung geht rasant weiter. Zuckerberg hat ja mit bewegungslosem Gesicht erklärt, das Facebook über die künstliche Intelligenz die Emotionen der Menschen verfolgen werde. Die politische Propaganda nützt die Bewegtbilder immer mehr. Der nächste Schritt sind Videos, wo Reden und Interviews gefälscht werden können. Journalismus, der aufdeckt und aufklärt, ist die einzige Antwort auf das verantwortungslose Schüren von Emotionen, die am Ende niemand mehr beherrschen kann. Eine Medienpolitik mit Verantwortung fördert Journalismus, nicht parteigesteuerte Postenbesetzung. So kann man leicht feststellen, ob eine Regierung auf Demokratie oder auf Propaganda setzt.

Jede Regierung muss mehr für Bildung tun. Nur wer die neuen Medien und deren Mechanismen versteht, kann sich gegen die ständige Manipulation wehren. Eine faire Regierung würde auch wieder den Gleichstand zwischen Parteien und Medienförderung herstellen. Die Parteien bekommen mit 200 Millionen Euro 20 Mal so viel wie Medien. Mit diesem Geld läuft ein permanenter Angriff auf die Herzen der Menschen. Gute Medien sind immer mehr für das Hirn zuständig: Sie müssen die Menschen zum Nachdenken bringen, der beste Feind jeder schlichten emotionalen Polit-Kampagne.

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