Poker um Personen schadet bei EU-Wahl

In der Schlussphase des Wahlkampfs geht es um Posten. Ideen für Europa verschwinden dahinter.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

„Viele machen sich Sorgen um Europa, auch ich. Daraus entsteht bei mir ein noch einmal gesteigertes Gefühl der Verantwortung, mich gemeinsam mit anderen um das Schicksal dieses Europas zu kümmern.“ Ein Satz von Angela Merkel in einem langen Interview mit der Süddeutschen führte zu Spekulationen, Merkel wolle EU-Ratsvorsitzende werden. Gestern Nachmittag stellte sie klar, sie wolle nicht nach Brüssel übersiedeln. Knapp vor der EU-Wahl sollte es auch um die Zukunft Europas gehen, nicht um die von ein paar Politikern.

Gefragt sollten Ideen sein, wie wir in der globalisierten Welt den Wettbewerb bestehen werden, wie wir mit Forschung und Investitionen den Wohlstand erhalten und wie wir uns gemeinsam gegen Angriffe von außen wehren, weil sich Europa nicht mehr auf die USA verlassen kann. Aber die Regierungschefs treffen einander gleich nach der Wahl, um Personalpoker zu spielen. Dort liegen eben ihre Prioritäten.

Gerade in Österreich sieht man, dass in EU-Fragen eine vernünftige, auf Fakten beruhende Debatte kaum möglich ist. Bundeskanzler Kurz hat leider dazu beigetragen, das Bild der EU völlig zu verzerren. Bestimmungen, die zur Gesundheit der Menschen beitragen, sollten willkommen sein, auch wenn es um das geliebte Schnitzel geht. Gesetze, die aus dem Nationalstaat kommen, werden „bösen“ Beamten in die Schuhe geschoben. Aber der Kanzler kennt das Spiel mit Emotionen, es funktioniert am besten, wenn es gegen andere geht. Dass wir aber alle Europa sind, dass wir eine funktionierende Verwaltung brauchen, das wird so überlagert.

Verantwortung für die EU – gut für Österreich

Das gilt auch für die Verteidigung. Die Neutralität war emotional wichtig für die Entstehung des österreichischen Nationalbewusstseins. Heute ist sie hinderlich, wenn wir uns gegen Angriffe von außen wehren wollen, die weniger mit Panzern als durch Cyberattacken kommen werden und immer öfter Realität sind. Aber nur die Neos haben den Mut, das auszusprechen.

In der Politik geht es immer um Personen und Macht, da muss sich die EU weiterentwickeln. Im Moment müssen sich die Regierungschefs auf einen Vorschlag einigen, wen sie als Kommissionspräsidenten dem Parlament vorschlagen. Die sogenannten Spitzenkandidaten sind also in Wirklichkeit höchstens Verhandlungsmasse. Angela Merkel unterstützt offiziell Manfred Weber(CSU), aber in Berlin weiß jeder, dass ihr die Spitze der Europäischen Zentralbank für Jens Weidmann wichtiger ist. Die EU muss demokratischer werden, das heißt aber auch, dass die wichtigen Themen von der Außenpolitik über die Verteidigung bis zu den Finanzen zentral geregelt gehören. Das ist Teil der Subsidiarität und emotional schwieriger zu argumentieren als der Kampf gegen Schnitzelverordnungen. Dafür ist es verantwortungsvoll.

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