"Neuigkeitenzimmer" statt Journalismus

Politiker, die gleichzeitig auch Journalisten spielen wollen, gefährden zunehmend unsere Demokratie.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer nennt seinen neuen Newsroom „ Neuigkeitenzimmer.“ Das klingt komisch, soll aber in der bayrischen Heimat gut ankommen. Chef ist ein bewährter Boulevardjournalist, der Tiroler Wolfgang Ainetter. Aber warum braucht ein Politiker einen Newsroom, und warum nimmt er sich einen Journalisten als Redaktionsleiter? Weil Verkehrsminister Scheuer jetzt auch offiziell macht, was die meisten anderen Politiker schon üben: Sie tun so, als würden sie objektiv über ihr Handeln informieren und sie wollen den unabhängigen Journalismus endgültig abschaffen. Dass sie mit sehr viel Steuergeld die natürliche Balance zwischen Politik und Medien beenden und so auch die Demokratie gefährden, ist ihnen im besten Fall noch gar nicht bewusst.

Der Minister will den direkten Kontakt mit den Bürgern, sagt sein zum PR-Berater mutierter Journalist. Ja wunderbar, aber darum geht es nicht. Es geht darum, unangenehmen Fragen von Journalisten, die sich bei einem Thema auskennen, zu entgehen.

Auf den ersten Blick wirkt es absurd, aber in Wirklichkeit treten wir gerade eine sehr schnelle Zeitreise an, zurück in die Welt vor Buchdruck und Aufklärung. Damals hatten die Herrscher Trommler und Ausrufer, die gute Nachrichten über die Regierenden verbreiteten. Selbst als im Jahr 1703 die älteste noch heute bestehende Zeitung (Wiennerisches Diarium, Vorgänger der Wiener Zeitung) gegründet wurde, hat der Zensor nur Gefälliges zugelassen. Fragen waren schon immer lästig, unangenehme Fakten erst recht. Heute tritt der Herold in digitaler Form auf, verkleidet als Journalist.

Aufklärung im doppelten Sinn

Die Wähler sollen nicht wissen, dass das sehr viel Steuergeld kostet. Jedes österreichische Ministerium hat deutlich mehr Pressemitarbeiter als die größte innenpolitische Redaktion. (Apropos „Sparen im System“). Während früher Pressesprecher flott Fragen beantwortet haben, sind die meisten von ihnen jetzt dafür zuständig, selbst „Stories“ zur Imagepflege zu entwickeln und Videos für Facebook zu drehen. Der Journalismus wird gleichzeitig ausgehungert – seit Einführung von Parteien- und Presseförderung wurde nur das Geld für die Parteien vervielfacht. Und weil das alles noch zu wenig ist, werden manche Zeitungen mit Inseraten gekauft. Das gibt es in Deutschland nicht, da sind wir Weltmeister.

Besonders schlimm ist es, wenn Parteien ihre Steuermillionen für Hetze missbrauchen. FPÖ-Politiker verbreiten gerade über das Internet Fotos, wo junge Frauen mit Kopftuch gierig auf Geldscheine schauen. Text: „Familienbeihilfe für Kinder im Ausland wird gekürzt.“ Auf einem Foto ist eine junge Frau aus Afrika zu sehen, Familienbeihilfe bekommen nur EU-Bürger. Ob die Kürzung europarechtlich geht, ist offen. Aufklärung ist im doppelten Sinn wichtig: Die Pressefreiheit ist Grundlage der Demokratie – und die Bevölkerung muss informiert werden, übrigens nicht nur, wenn gelogen und gehetzt wird.

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