Misstrauen in Politiker: Was in Österreich schiefläuft

Die heimische Politik sieht zum Jahresauftakt recht traurig aus. Das Vertrauen in die Parteiobleute und ihre Fähigkeiten ist im Keller. So gut wie jede Umfrage weist das aus. Zweifel an der Demokratie sind zum Glück (noch?) nicht im Steigen, das Vertrauen in Institutionen wie den Verfassungsgerichtshof oder die Justiz ist stabil hoch. Aber sobald eine Institution mit Politikern assoziiert wird, wie zum Beispiel das Parlament oder die Regierung, wird sie mit nach unten gezogen.
Dabei haben die Regierungen in den letzten Jahren ein Furioso an Krisenlinderungsmaßnahmen vom Stapel gelassen: Kurzarbeit, Betriebshilfen, höhere Sozialleistungen, Steuersenkungen und Energiekostenzuschüsse in einem Ausmaß, dass es den Budgetwächtern vom Fiskalrat den Schweiß auf die Stirn treibt. Doch die Anerkennung für die Regierung bleibt aus.
Laut jüngsten Umfragen könnte sogar Herbert Kickl bald nach dem Kanzleramt greifen.
Was läuft da schief?
Vielleicht liegt es daran, dass in unserer Gesellschaft der Grundkonsens schwindet über das, was wichtig und wertvoll ist. Und die Politik bietet wenig Orientierung, sie scheint selbst oft den Kompass zu verlieren.
Es beginnt bei der zentralen Frage nach den Lebensgrundlagen: Ist Wirtschaftswachstum weiter erstrebenswert – oder haut es den Planeten z’samm? Die schwarze Wirtschaftspartei und die grüne Öko-Partei schaffen es nicht, hier eine Leitlinie zu finden. Dass kein Klimaschutzgesetz zustande kommt, versinnbildlicht dieses Scheitern, und aus Angst, als „Streit-Regierung“ zu erscheinen, werden Debatten über die Zukunft des Wirtschaftssystems erst gar nicht geführt.
Nicht besser ist es um die immateriellen Grundlagen, das Wertefundament, bestellt. Würde nicht Othmar Karas ab und an vom Zorn über seine eigene Partei gepackt, nähme das Wort Europa hierzulande überhaupt niemand mehr in den Mund. Während die Ukrainer lieber ihr Leben riskieren, als sich einer Despotie zu unterwerfen, wird 500 Kilometer weiter die Wertebasis der EU, die Menschenrechtskonvention, wegen eines Landtagswahlkampfs diskreditiert. Vom Schengen-Fehltritt gegenüber Rumänien und Bulgarien ganz zu schweigen. Und was denken sich eigentlich rote Nachwuchspolitiker, wenn sie ausgerechnet zu Weihnachten (Herbergsuche!) zum Kirchenaustritt aufrufen?
Dass die ÖVP nicht Anstand, sondern nur noch gesetzliche Verbote zu ihrer Richtschnur erklärt, macht sprachlos. Auch auf die SPÖ ist wenig Verlass. Sie führt Führungsdebatten und ist ansonsten weitgehend abgemeldet.
Vielleicht entsinnt man sich in diesem Jahr, dass Österreich Teil Europas ist, eines Werte- und Wohlstandsprojekts, ein Wunschtraum für Millionen Menschen. Politik für Europa ist sinnstiftend, Österreich bräuchte nur mitzumachen.
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