Minister „Rudi Corona“

Minister „Rudi Corona“
Rudolf Anschober werkt im Zentrum der Corona-Krise. Seine ruhige Art kommt gut an, auch Werner Kogler stiehlt er die Show
Michael Bachner

Michael Bachner

Auf Twitter traut er sich offenbar mehr: Angesichts der 262 positiv getesteten Reiserückkehrer aus Kroatien in acht Tagen, Durchschnittsalter 23,5 Jahre, mehr als zwei Drittel Männer, schreibt Rudolf Anschober: „Reißt Euch zusammen und übernehmt Verantwortung!“

Schauschau, sogar mit Rufzeichen. So „laut“ wurde der Gesundheitsminister bei einer Pressekonferenz und vor laufender Kamera noch nie. Manchmal möchte man ihm zurufen: Nicht immer so verbindlich, nicht immer so übertrieben nett, Herr Anschober. Reden Sie doch bitte Klartext! Es geht schließlich um uns alle.

Aber der öffentliche Konflikt, der populär-populistische Sager, scheint seine Sache nicht zu sein. Anschober muss selbst über seine Forschheit schmunzeln, wenn ihm vermeintlich Schärferes entfleucht, wie: „Der Ballermann ist der beste Freund des Virus.“

Aber seine (ober-)lehrerhafte Art und sein beruhigender Tonfall kommen an. Auf der Beliebtheitsskala klettert der Oberösterreicher kontinuierlich nach oben.

Gewohnt diplomatisch weicht er derzeit auch allen aus, die ihn auf seine angeblichen Ambitionen für die Hofburg ansprechen. Nein, Alexander Van der Bellen sei ein wunderbarer Bundespräsident und er hoffe ja inständig, dass sich VdB erneut der Wahl zum Bundespräsidenten stellen wird. Doch sind die Gerüchte, dass er VdB beerben könnte, wirklich so weit hergeholt? Ausgeschlossen ist es nicht.

Unterm Strich bleibt momentan die Frage: Ist Anschober nun der grüne Superstar der Regierung, der Politiker, dem die Menschen neben Van der Bellen und Sebastian Kurz am meisten Vertrauen schenken? Oder ist Anschober der Verordnungschaos-Minister, der nur seine Pressekonferenzen abspult und die Corona-Ampel zum gefühlt 20. Mal verkauft?

Seine Kritiker aus der Opposition entscheiden sich für Letzteres. Seine Neider in der ÖVP möglicherweise auch. Aber wie steht es um die eigene Partei?

Dank der alles dominierenden Corona-Krise stiehlt Anschober seinem Parteichef Werner Kogler zweifellos die Show. Aber Eifersüchteleien waren noch nicht zu beobachten. Kogler tut gut daran, Anschober medial die erste Reihe zu überlassen. Und Kogler weiß auch, wie wichtig es ist, als Partei geeint aufzutreten, um nicht neben der ÖVP unterzugehen.

Denn neben der Viruskrise warten noch viele andere Fallstricke auf Minister „Rudi Corona“, und da kann er jede Unterstützung Koglers gegenüber dem Koalitionspartner brauchen. So muss Anschober als Sozialminister beispielsweise die Kassen sanieren, was ohne Finanzminister Gernot Blümel unmöglich sein wird. Und das ist neben der aufgeschobenen Pflegereform sowie der Pensionsproblematik nur eine seiner Großbaustellen.

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