Warum das Wegschalten manchmal schwierig ist

Warum das Wegschalten manchmal schwierig ist
Ab 20 Uhr muss nicht immer alles vernünftig sein. Manchmal gibt es Trash-TV, manchmal komplexe Lektüre
Claudia Stelzel-Pröll

Claudia Stelzel-Pröll

Warum tun wir das? Immer und immer wieder? Uns Dinge reinziehen – Bücher, Serien, Filme – die uns eigentlich nicht taugen? Vielleicht ist es wie bei einem Verkehrsunfall: Man braucht sehr viel Präsenz im Moment, um wegzusehen.

Es ist schon wieder passiert. Irgendeine Frau im Internet hat gesagt, wie bescheuert und dumm nicht diese neue Netflix-Serie sei. Eine weitere hat es bestätigt. Und im selben Atemzug erklärt, dass sie soeben sechs Teile davon in einem durch schauen musste. Und was mache ich? Ich schaue auch. Weil wenn das echt so blöd und schauspielerisch unterirdisch ist, muss man es doch trotzdem gesehen haben. Einfach nur, um sagen zu können, wie furchtbar stillos und unkultiviert man das alles findet. Manchmal, vor allem wenn es unwichtig ist und es um nichts geht, bin ich ein willenloser Lemming. Nach einem langen, anstrengenden Tag stürze ich mich mit vielen anderen Lemmingen blindlings den nächsten Berg hinunter und wundere mich, warum der Aufprall gar nicht guttut.

Unvernünftig auf der Couch

In besagter Serie werden Champagnerflaschen mit Säbeln geköpft, ein Model will Schauspielerin werden und zwei traurige Teenager schmieden einen gemeinen Racheplan. Mitten im schönen Tirol. Sogar mitten im schönen Kitzbühel. Das alles passiert mit gequältem Geschau’, es werden Probleme gewälzt, die nur reiche Menschen, die unendlich viel Zeit und Geld haben, umtreiben können. Gestern war ich endlich durch mit der Serie. Warum? Weil es nach 20 Uhr fein ist, auf der Couch auch mal unvernünftig sein zu dürfen. Nicht jeden Abend, aber manchmal. Und an anderen Abenden retten wir dann wieder gedanklich die Welt, lesen ein hochkomplexes Buch oder bringen uns selbst Japanisch bei.

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