Mein Freund, der (Stadt-)Baum

Mein Freund, der (Stadt-)Baum
In der Stadt sind Bäume ein rares Gut. Dass ausgerechnet der U-Bahn-Bau Hunderte Exemplare bedroht, ist ein gar nicht so lustiger Treppenwitz
Christoph Schwarz

Christoph Schwarz

Während sie in ländlichen Gebieten meist in anonymen Gruppen leben, teilen Bäume in der Stadt das Schicksal von Zootieren: Sie sind im dicht verbauten Raum so selten, dass sie nahezu vermenschlicht werden, ja manchmal sogar Namen erhalten. Erinnern Sie sich etwa an die Eiles-Platane – benannt nach einem nahen Kaffeehaus –, die von der Wiener Stadtregierung in einer tage- und nächtelangen Großaktion ausgegraben und mittels Kran und Lastwagen im Beisein von Polit-Prominenz umgepflanzt wurde? Die Kosten lagen bei mehreren Hunderttausend Euro.

Die Platane musste dem U-Bahn-Ausbau weichen. Hunderte weitere Bäume waren und sind den Bauarbeiten ebenfalls im Weg. Statt Kran und Polit-Prominenz kommt in ihrem Fall meist aber nur die Motorsäge. (Wie etwa bei der Schubert-Linde im 7. Bezirk, die eines Tages einfach fiel.) Aktuell fürchtet der 17. Bezirk um 200 Alleebäume. Dass ausgerechnet ein Projekt, das das Ziel verfolgt, die Stadt in Verkehrsbelangen klimafitter zu machen, das Baumsterben befeuert, ist ein (nicht allzu lustiger) Treppenwitz, der vor Augen führt, wie hoch der Nutzungsdruck im urbanen Raum ist. Die Wiener Linien versuchen das Thema wegzuschweigen, der U-Bahn-Bau ist auch so schon mühsam genug.

Gerade an heißen Tagen zeigt sich aber, dass die Innenstädte mehr Grün statt weniger benötigen. Die Autos müssen weg von den Oberflächen, Asphaltwüsten müssen aufgebrochen werden, jeder natürliche Schattenspender ist eine Wohltat. Entsiegelung und Renaturierung sind nicht nur in der EU ein Thema, sondern auch direkt vor der eigenen Haustür.

Wer als Privater auf seinem Grundstück einen Baum fällen will, gerät daher rasch mit dem Wiener Baumschutzgesetz in Konflikt. Ohne Bewilligung geht gar nichts, per Bescheid werden die verpflichtende Zahl und Art sowie der Standort der fachgerechten Ersatzpflanzung vorgegeben und vom Amt überprüft. Es wäre schön, würden sich die Wiener Linien da ein Beispiel nehmen.

Tatsächlich setzt die Stadt seit einigen Jahren offensiv Schritte, doch mit Neu- und Nachpflanzungen alleine ist es nicht getan. Sie sind teuer und oft nicht von Erfolg gekrönt: Die Kosten für einen Stadtbaum belaufen sich (wegen des schwierigen Untergrunds und der Bewässerung) auf bis zu 30.000 Euro – pro Exemplar, wohlgemerkt. Junge Bäume brauchen Jahre, um der zugedachten Funktion gerecht zu werden, ältere (von der Stadt medienwirksam XL-Bäume genannt) wiederum tun sich mit einem Umzug deutlich schwerer und sterben oft leise und unschön vor sich hin. Und manche Arten lassen sich gar nicht mehr pflanzen. Sie sind den Stressfaktoren – Hitze, Abgase, Streusalz, Hunde-Urin – nicht gewachsen.

So einfach lässt sich ein jahrzehntealtes Lebewesen nicht ersetzen. Jeder gesunde Baum, der nicht gefällt wird, ist ein Gewinn. Egal, ob namenlos oder nicht.

Mein Freund, der (Stadt-)Baum

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