Mehr Europa - Aber wer traut sich das?

Frankreichs Macron will einen „Neubeginn in Europa“. Vielleicht geht es auch bescheidener.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Wetten, dass wir auch im kommenden EU-Wahlkampf viel über die sogenannte Sicherungshaft hören werden. Auch die Ablehnung eines muslimischen Feiertags, den niemand gefordert hat, wird wieder auftauchen. Nebelgranaten statt neuer Ideen für Europa, das ist zu befürchten.

Aus den wenigen Aussagen von FPÖ-Chef Strache und ÖVP-Chef Kurz am Aschermittwoch geht klar hervor, dass die beiden Parteien die Zukunft der EU völlig unterschiedlich sehen. Abgesehen von primitiven Witzen blieb bei Strache nur der Slogan vom „Europa der Vaterländer“ übrig. Was der FPÖ-Chef nicht sagt: Er und seine Verbündeten in den rechten und rechtsextremen Parteien – in der AfD sieht der bayrische Ministerpräsident Söder gar „Nazis“ – wollen keine Union, bestenfalls eine Zollunion, und den Euro wollen sie auch abschaffen. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist ihnen ein Gräuel, eine Antwort auf den Druck der Amerikaner in Handelsfragen und die Erfolge der Chinesen im Bereich der Künstlichen Intelligenz und anderen Forschungsbereichen soll nicht gesucht werden.

Die Vorstellungen der ÖVP sind theoretisch jedenfalls andere. In der Kanzlerpartei verwendet man gerne ein Wort der christlichen Soziallehre, Subsidiarität: Übergeordnete gesellschaftliche Einheiten sollen nur ordnen, was die kleineren nicht können. Also: Die Außengrenzen der EU werden wir nur gemeinsam schützen können, das gilt auch für die Verteidigung der EU-Länder. Und: Donald Trump wird nur einer starken EU-Kommission Zusagen machen, ebenso die digitalen US-Konzerne. In aller Konsequenz heißt das, dass gerade in kleines Land wie Österreich eine starke Zentrale in Brüssel braucht, und auch unsere Verteidigung besser gemeinsam zu organisieren ist. Aber nur die Neos-Spitzenkandidatin Claudia Gamon hatte bisher den Mut, die Neutralität infrage zu stellen. Sonst hören wir vor allem Allgemeinplätze.

Macron und die große Geste

Diesen Vorwurf kann man aber auch dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron machen. Nichts gegen viele seiner Ideen: Die Stärkung der europäischen Wirtschaft im globalen Wettbewerb ist ihm ebenso wichtig wie ein europäischer Sicherheitsrat, wo auch Großbritannien bei der gemeinsamen Verteidigung mitmachen soll. Eine abgestimmte Migrations und Asylpolitik wäre auch nötig, ein europaweiter Mindestlohn hingegen ist noch Utopie. Aber ein „Neubeginn“ muss es nicht sein.

Macrons schönster Satz:„Es ist die europäische Zivilisation, die uns eint, frei macht und uns schützt.“ Europa hat in den Jahrzehnten seit dem Krieg so viel erreicht, auch das müssen wir uns ins Bewusstsein rufen. Wer die EU zerstört,wie das die Verbündeten der FPÖ wollen, gefährdet nicht nur den Wohlstand, sondern unsere Freiheit.

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