Fall vorausgesagt
Stichwort René Benko: Erst sonnen sich alle im Erfolg eines Unternehmers, und wenn er fällt, treten alle nach, wird gerne gesagt. Die Wahrheit ist, dass es viele gab, die von Anfang an die Pyramidengeschäfte des Immobilien-Tycoons auf Pump mehr als kritisch verfolgt und seinen Fall vorausgesagt haben (nur später nicht mehr daran glaubten, weil der Jongleur zu gut vernetzt war); und gesonnt hat sich nur eine bestimmte Clique im Talmiglanz des Investors mit Fremdgeld. Nein, man hätte schon früher klüger sein können, was übrigens auch für die große Finanzkrise und Bankenpleiten 2008 gilt.
Die Ausrede stimmt auch in Sachen Corona nicht: Dass die handelnden Politiker und Wissenschafter angesichts der neuen, weltumspannenden Pandemie im Nebel fuhren und sich manche Maßnahme im Nachhinein als Unfug herausstellen würde (Bundesgärten- und Schulschließungen etc.), hat man wissen können. Dass eine Krakeelpartei à la FPÖ sich schnell der Masse der Corona-Leugner und Maßnahmen-Verweigerer annehmen und Stimmenfurore machen würde, musste man wissen.
Putins Revanchegelüste
Die Ausrede stimmt auch nicht, was Wladimir Putins Wandel vom angeblich westorientierten Staatsmann zum Kriegsverbrecher betrifft: Seit seiner Brandrede (München 2008) konnte man Putins Revanchegelüste gegen den Westen sehen, seit der Krim-Annexion musste man seinen weiteren Weg wissen (nur Heinz Fischer, Christoph Leitl und die FPÖ-Partie wussten nicht oder wollte nicht wissen).
Womit wir bei der jahrelangen Anbiederei politischer A- bis C-Promis an Putin und beim mutmaßlichen Spion Egisto Ott sind, der Behörden und Justiz ein Jahrzehnt auf der Nase herumtanzen konnte: Fast alles, von den Verbindungen zu Karin Kneissls Top-Diplomaten bis zu den FPÖ-Freunden, war medial dokumentiert, aber es brauchte Hinweise des amerikanischen und britischen Geheimdienstes, um gegen den Geheimnisverkäufer (Unschuldsvermutung!) aktiv zu werden.
Ob man dazu „sehenden Auges ins Unglück rennen“ oder „die Augen vor der Wahrheit verschließen“ sagt, ist im Ergebnis irrelevant. Es geschah und geschieht – und hat auch mit einer Art österreichischen Schlawinertums zu tun.
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