Keine Zeit für Denkverbote

Es ist eine verrückte Zeit. Man wacht in der Früh auf und blickt in Sorge auf Nachrichten aus den USA. Und hofft, dass Präsident Donald Trump seine Ansagen doch nicht wahr gemacht hat. Vergeblich. Diese Woche hat er seine Strafzölle Realität werden lassen, so den Welthandel durcheinandergebracht und die Börsen auf eine Talfahrt geschickt. Die österreichische Wirtschaft kann sich den negativen Auswirkungen genauso wenig entziehen wie andere Staaten.
ÖVP-Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer hat deshalb einen neuen Anlauf genommen, um das Abkommen Mercosur für den Freihandel mit Südamerika wieder in die Diskussion zu bringen. Bisher war das in hohen ÖVP-Funktionärskreisen ein Tabu. Erstens gibt es einen alten, aber aufrechten Mehrheitsbeschluss im Nationalrat gegen die derzeitige Vorlage zu Mercosur, zweitens wollte sich innerhalb der ÖVP niemand so richtig mit dem Bauernbund anlegen. Dessen Vertreter reagierten auch sofort reflexartig und erteilten dem Ansinnen Hattmannsdorfers eine Absage.
Das ist in Zeiten wie diesen genau der falsche Ansatz. Wenn die Weltordnung derart durcheinandergerät, dann gehören solche Denkverbote zur Seite geschoben. Unsere Wirtschaft braucht neue Märkte, wenn sich die USA total abschottet. Nur auf ein Umdenken von Donald Trump zu hoffen, ist zu wenig. In dem Licht muss jetzt auch Mercosur gesehen werden.
Ähnlich ist es mit einer Bundesstaatsreform, die wegen des Sparzwangs endlich wieder in den Mund genommen wird. Da darf es nicht nur um die Abschaffung von Mehrfachförderungen gehen. Da gehört auch die Bereinigung von Kompetenzen auf den Tisch, um so einen schlankeren Staat zu schaffen. Derartige Versuche sind bisher immer auf allen Ebenen an Denkverboten gescheitert.
Die türkis-rot-pinke Regierung könnte es aber tatsächlich schaffen, neue und bisher kaum mehrheitsfähige Wege zu gehen. Das zeigte zuletzt zum Beispiel das Einfrieren bestimmter Mieten, was vor einigen Monaten noch unvorstellbar gewesen wäre. Das zeigt auch die geplante Überwachung von Messenger-Diensten, die diese Woche bei einer Arbeitsklausur auf den Weg geschickt werden soll. In der abgelaufenen Legislaturperiode war nur die ÖVP dafür gewesen. Und letztlich zeigt das auch die Debatte über eine Verlängerung des Wehrdienstes, die von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner angestoßen worden ist.
Ein Denkverbot wird aber auch diese Dreier-Regierung nicht aufbrechen. Wenn es um die österreichische Neutralität geht, will sich niemand politisch die Finger verbrennen. Angesichts der vielen aktuellen Bedrohungslagen wäre aber zumindest eine Diskussion darüber höchst an der Zeit.
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