Einmal Mercosur ist nicht genug

Französische Bauern protestieren gegen das Mercosur-Abkommen
Um sich aus der Abhängigkeit und Erpressbarkeit von den USA und China zu befreien, sind Handelsabkommen mit neuen Partnern der richtige Weg.
Michael Bachner

Michael Bachner

Das Mercosur-Handelsabkommen mit den Ländern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay ist immer noch nicht in Kraft. Zwar wurden die Verhandlungen bereits 2019 abgeschlossen. Doch wegen des Widerstands gegen die angebliche Welle an Billigfleisch, die Europa überrollen wird, und den verständlichen Ängsten vor der weiteren Amazonas-Abholzung, kam es 2024 und 2025 zu Nachverhandlungen. Diese brachten wesentliche Verbesserungen wie zum Beispiel einen Milliarden-Topf für Ausgleichszahlungen, falls EU-Bauern wirklich in Bedrängnis geraten sollten. Seither stockt der Prozess jedoch wieder, die Kritik will nicht verstummen.

Seit Anfang September liegt der finale Vertragstext der EU-Kommission vor, aber es ist noch lange nicht ausgemachte Sache, ob die Zustimmung in Rat und EU-Parlament gelingt – und ob das Abkommen ganz am Schluss tatsächlich in den nationalen Parlamenten ratifiziert wird. Denn nicht nur in Österreich werden seit Jahr und Tag die immer selben Gegenargumente aufgewärmt. Auch in Ländern wie Polen oder den Niederlanden, in Frankreich oder Irland, machen Bauern und Umweltschützer in Permanenz gegen das Abkommen mobil. Das Problem: Eine sachliche, faktenbezogene Debatte ist kaum möglich, der Ängste-schürende Populismus hat – gefühlt – immer recht.

Wirtschaftlich gesehen bestehen kaum Zweifel, dass der Abbau von Zöllen und anderen Handelsbarrieren sowohl für die EU als auch für die Mercosur-Staaten von Vorteil wäre. Die EU bekommt den vollen Marktzugang im Industriebereich für Maschinen, Chemie oder Pharma und öffnet ein kleines Stück weit den Markt für Agrarprodukte wie Rindfleisch oder Soja. Das kann die EU aufgrund ihrer Größe und wirtschaftlichen Power. Freilich sollten auch die Befürworter des Abkommens nicht so tun, als ob es ein Allheilmittel gegen die Stagnation in Europa wäre, denn dazu ist der Handel mit den Mercosur-Staaten zu gering.

Damit Europa zur alten Stärke zurückfindet, muss es vor allem den EU-Binnenmarkt stärken, Produktion zurückholen, den eigenen Kapitalmarkt stärken – also die Hausaufgaben erledigen. Darin sind sich alle Experten einig. Gelingen zusätzlich Handelsabkommen mit neuen Partnern, bringt das den Zusatznutzen geringerer Abhängigkeiten. Im Westen von den USA mit Trumps ständiger Drohkulisse neuer Zölle, möglicher Erpressungsversuche in Sachen NATO oder der erdrückenden Vormachtstellung der US-Tech-Giganten. Und im Osten von Russland im Energiebereich oder von China, mit seiner großen Hand auf den seltenen Erden, jenen für die Hightech- und Rüstungsindustrie, aber auch für die Energiewende so essenziellen Metalle. Will sich die EU aus dieser gigantischen Zwickmühle befreien, wird es noch viele Mercosur-Abkommen benötigen.

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