Kredit fürs Praktikum

Lernen in der Praxis: Nirgends ist das wichtiger als in der Medizin und im Gesundheitswesen. Dafür aber kein Geld zu bekommen, ist nicht richtig.
Sandra Baierl

Sandra Baierl

Österreich hat ein gutes Gesundheits- und Sozialsystem, und wer wirklich schlimm erkrankt, kann im Unglück von Glück reden, wenn es in diesem Land passiert. Und trotzdem tun sich bei genauerer Betrachtung Abgründe auf, unschöne Details, die dem Ganzen eigentlich nicht gerecht werden.

Da werden auf Chefarzt-Ebene Posten geschachert; das Pflegepersonal wird überstrapaziert; Sozialberufe erfahren nicht die Anerkennung, die sie verdienen; die Bezahlung ist nicht dort, wo sie sein soll.

Schon gar nicht bei den Auszubildenden, den jungen StudentInnen in Medizin und Gesundheits- und Sozialberufen. Sie müssen Praktika absolvieren, arbeiten dabei monatelang in vollem Wochenausmaß (und mehr) und bekommen keinen Cent bezahlt.

Missstand im System

Die offizielle Argumentationslinie: das fällt unter „Ausbildung“ und muss deshalb nicht abgegolten werden. Aber: Wenn durch den intensiven Einsatz der Jungen die Möglichkeit genommen wird, nebenher zu jobben, um sich Miete, Essen und das Leben leisten zu können, dann muss man von einem großen Missstand im System reden.

Von Gehalts- und Sozialdumping. Noch verstärkt wird das durch die Tatsache, dass sich ganze Institutionen – Krankenhäuser und soziale Organisationen – auf diese Arbeitskräfte verlassen, um ihren Apparat überhaupt aufrecht halten zu können. Ohne gratis arbeitende Pflichtpraktikanten könnten sie ihre Versorgung nicht gewährleisten.

Nicht wenige Mediziner-in-spe müssen sich für ihr 72-Wochen-Praktikum (in der Zahnmedizin) Geld ausborgen, um diese Zeit finanziell zu überbrücken. Wenn mit der Ausbildung fertig, werden sie danach trachten, möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen, um diese Durststrecke zu kompensieren. Sozialisiert in Richtung Geldmachen: eine gute Basis für angehende Mediziner?

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