Wer immer obsiegt, Trumps Ungeist bleibt

Auch wenn der Super-GAU ausbleibt, wäre es fatal, die Anti-System-Stimmung weiter rechts liegen zu lassen.
Josef Votzi

Josef Votzi

Jetzt rückt auch Barack Obama aus, um die US-Bürger vor einem Votum für Donald Trump zu warnen: "Das Schicksal der Republik liegt in euren Händen. Das Schicksal der Welt steht am Abgrund." Maßlose Übertreibung am Ende eines beispiellos hysterischen und inhaltlosen Wahlkampfs? Fakt ist: Im kleinen Kreis rechnen prominente US-Spitzenpolitiker bereits mit Trump im Weißen Haus. Sie sagen: In Europa werde unterschätzt, wie tief greifend und gewaltig das Misstrauen der breiten Masse gegenüber "denen da oben" ist – Politikern, Medien und demokratischen Institutionen. Alles, was zuletzt gegen Trump aufgeboten wurde, gehe daher ins Leere: Er habe null politische Erfahrung und "war nicht einmal noch Bürgermeister" (Ex-Reagan-Vertraute und Ex-US-Botschafterin Helene von Damm).

"No politician" ist kein Schimpfwort, sondern in den USA ein Adelsprädikat. Donald Trump ist einem US-Millionenpublikum denn auch nicht als Politiker, sondern seit mehr als einem Jahrzehnt als Moderator und Hauptdarsteller in "The Apprentice" (="Der Lehrling") vertraut – einer TV-Reality-Show, in der Kandidaten um einen Ein-Jahres-Vertrag in einem Unternehmen kämpfen.

TV-Serie " House of Cards" wird bald RealitätDie Mehrzahl der Umfragen sah in den vergangenen Wochen Hillary Clinton noch in Führung. Erfahrene Wahlprognostiker sagen beharrlich eine Niederlage Donald Trumps voraus. Wer immer Barack Obama beerbt, der Ungeist Trumps ist damit nicht aus der Welt. Politiker vom Schlage Trumps wie Putin, Erdoğan oder Orbán sind längst Alltag. Ähnliche skrupellose Populisten klopfen europaweit an den Toren der Macht. Der brillante deutsch-britische Soziologe Ralf Dahrendorf prophezeite schon vor 20 Jahren den drohenden Verfall der demokratischen Sitten Richtung "autoritäres Jahrhundert". Wird mit oder ohne Trump bald Realität, was Frank Underwood, fiktiver US-Präsident in "House of Cards", zynisch formuliert: "Demokratie wird reichlich überbewertet" ?

Michael Dobbs, Erfinder der genialen TV-Serie "House of Cards", weiß als Ex-Stabschef von Maggie Thatcher, wovon er spricht. Er legt sich in einem großen Die Zeit-Interview auf keinen US-Wahlsieger fest, warnt aber eindringlich davor, sich bei einem Wahlsieg Clintons erleichtert zurückzulehnen und so zu tun, "als hätte die Protestbewegung um Donald Trump nie existiert und auch nicht die Bewegung um Bernie Sanders, denn auch der hat einen Aufschrei gegen das Establishment formuliert".

Denn, so das heutige Mitglied im britischen "House of Lords": "Die politische Klasse muss sich eingestehen, wir haben versagt. Wir haben nicht mehr zugehört, was die Leute wollen. Wir haben vergessen, dass wir diesen Job für die Menschen machen und nicht für uns."

Wie immer die Wahl am 8. November ausgeht, so der Mister "House of Cards": "Es wäre fatal, nicht wenigstens zu versuchen, sich diesen Protestbewegungen zu öffnen. Andernfalls werden wir in vier Jahren eine völlig andere Dimension dieses Aufstands erleben."

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