Warum Blau gegen die Wahl Sturm läuft

Immer mehr entscheiden sich für die Briefwahl. Dort hat die FPÖ trotz rasanter Zuwächse aber das Nachsehen.
Josef Votzi

Josef Votzi

Warum Blau gegen die Wahl Sturm läuft:Sie hat bei mobilen Wählern trotz rasanter Zuwächse das Nachsehen

von Josef Votzi

über die Anfechtung durch Strache

Als Heinz Fischer 2004 erstmals zum Bundespräsidenten gekürt wurde, gab es in Vorarlberg und Tirol eine doppelte Premiere: Im Westen bestand erstmals keine Wahlpflicht. Österreichweit wurde sie schon 1982 abgeschafft. Bis 1979 herrschte zudem Alkoholverbot. Wahltage wurden noch lange danach wie ein Feiertag begangen, die Stimmabgabe wie ein zeremonieller Akt. Auslandsösterreichern war ihr demokratisches Recht aber lange praktisch verwehrt.

Wer heute am Wahltag verreist ist oder unnötige Wartezeit vermeiden will, beantragt mit ein paar Klicks im Internet eine Wahlkarte und wirft sie in den Briefkasten. Die Briefwahl entwickelte sich seit ihrer Premiere 2008 zum Renner. 759.968 Briefwähler markierten zuletzt einen Rekord. Der bequeme neue Weg der Stimmabgabe hat nicht nur die Wahlbeteiligung gesteigert. Bis zum Abend des 22. Mai erfreute er sich auch allgemein höchster Beliebtheit. Seit ein Überhang von 30.000 Briefwahl-Stimmen für Alexander Van der Bellen den Weg in die Hofburg endgültig frei machte, schießt sich die FPÖ auf die Stimmabgabe per Post ein. Schlägt sie den unschuldigen Boten, weil sie die schlechte Nachricht nicht hören will?

Dicke Klage, viele Ressentiments, kein Beweis

Schlampereien oder bewusste Regelverletzungen sind nicht zu entschuldigen. 14 unabhängige Richter prüfen nun, ob die FPÖ-Vorwürfe stimmen und Einfluss auf das Ergebnis hatten. Sie können eine neue Auszählung oder im Extremfall eine totale Neuwahl anordnen. Crux für die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit: In den Protokollen der Wahlkommissionen findet sich laut Innenministerium kein einziger Hinweis auf Unregelmäßigkeiten. Auch in der dicken Klagsschrift (siehe Seite 4) nennt die FPÖ keinen einzigen Beweis für die Manipulation auch nur eines Sprengelresultats. Auf vielen Seiten werden hingegen bekannte blaue Ressentiments ausgebreitet: Klassische und Soziale Medien hätten mit Querschüssen selbst noch am Wahltag Hofer den Sieg "gestohlen". Das noch in der Wahlnacht einsetzende Trommelfeuer nähre den Verdacht: Heinz-Christian Strache geht es nicht um demokratische Grundwerte. Es geht ihm um jene 30.863 Stimmen, die Norbert Hofer den Sieg kosteten. Strache geht es zuvorderst darum, die widerborstige Briefwahl für die Zukunft in Verruf zu bringen. Die FPÖ schneidet hier traditionell schlechter ab. Am 22. Mai votierten fast 62 Prozent der Briefwähler für Van der Bellen.

Die Briefwahl gibt es in über 100 Ländern. Österreich ist hier ein Nachzügler und sollte die Kinderkrankheiten rasch aufarbeiten. Gefragt sind nicht neue Hürden, sondern eine weitere Öffnung des Wahlrechts. Demokratische Musterländer wie die Schweiz schicken dem Stimmbürger neuerdings den Stimmzettel vorab nach Hause. Er kann so bis zuletzt entscheiden, wo und wie er abstimmt.

Ausgerechnet die Partei, die mehr direkte Demokratie will, stellt jenes Wahlrecht infrage, für das sich zuletzt eine respektable Dreiviertelmillion Österreicher entschieden. Ihr Vergehen: Sie stimmten überwiegend nicht für Blau.

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