Vertrumpen jetzt auch Kern & Kurz komplett?

So lange die EU im Kampf um Jobs und mehr Fairness zahnlos bleibt, bleibt als einzige Notwehr "Österreich zuerst".
Josef Votzi

Josef Votzi

So lange die EU im Kampf um Jobs und mehr Fairness zahnlos bleibt, bleibt als einzige Notwehr 'Österreich zuerst'.

von Josef Votzi

über den neuen Dreikampf um einen alten Haider-Slogan.

Es ist 25 Jahre her, dass Jörg Haider ein Volksbegehren initiierte: "Österreich zuerst" – mit Forderungen vom "Einwanderungsstopp" bis zur "Sofortigen Ausweisung ausländischer Straftäter". Er provozierte damit mit dem "Lichtermeer" nicht nur die größte Demonstration des Landes, sondern spaltete auch seine Partei. Heide Schmidt setzte sich damals mit ein paar anderen Mandataren von der FPÖ ab. Heute ringt die Ex-Blaue um Fassung, weil nun auch Rot-Schwarz auf "Österreich zuerst" setzt und Inländern einen Job-Bonus zahlen oder EU-Ausländern die Familienbeihilfe kürzen will. Verhaidern und vertrumpen jetzt auch Kern, Kurz & Co. komplett?

Die – von den einen besorgt und den anderen hämisch – gestellte Frage greift viel zu kurz. Hinter dem Beschäftigungs-Bonus für Inländer steckt beispielsweise ein höchst reales und existenzgefährdendes Paradoxon: Die zuletzt 200.000 neu geschaffenen Jobs gingen fast ausschließlich an EU-Arbeitsmigranten. Die steigende Arbeitslosigkeit trifft aber mehrheitlich Inländer. Dazu kommt das grassierende Missgefühl: Bei der Verteilung von Flüchtlingen und der Jagd auf Steuerflüchtlinge oder Sozialbetrüger ducken sich die meisten anderen EU-Nationen feige weg. Bei Notwehraktionen gegen Jobabbau und für mehr europäische Fairness fuchtelt Brüssel mit dem moralischen Zeigefinger.

Jobexport-Bremse oder freie Fahrt für Rechts

Als mit Haider 2000 erstmals ein prominenter Rechtspopulist in der EU nach der Regierungsmacht griff, suchte sie ihr Heil in Sanktionen – eine hilflose Geste, die bald Geschichte war. Zum gemeinsamen Bau von politischen Dämmen gegen den weiteren Aufstieg von Haiders europaweiten Erben reichte die Kraft bis heute nicht. Jetzt versprechen Juncker und Merkel, einen neuen Anlauf zu nehmen. Die Herausforderungen für eine EU mit echten Zähnen sind riesig. Denn solange Ungarns Orbán die Unternehmenssteuern sanktionslos auf neun Prozent runterprügeln, gleichzeitig aber Österreich drohen darf, weil es sich gegen weitere Job- und Steuerverluste wehrt, bleibt Brüssel ein Papiertiger. Solange es die EU-Regeln folgenlos zulassen, dass jeder erfolgreich nur auf seinem Vorteil schauen darf, bleibt es müßig, allein an die Solidarität zu appellieren. Dieses Europa der zwei Geschwindigkeiten wird es nie geben: Hier die Egozentriker à la Orbán, die machen, was sie wollen, und da die letzten EU-Strenggläubigen, die alles mit sich machen lassen. Das ist nicht nur politisch naiv, es wäre auch Harakiri mit Anlauf.

Die Sorge um die Vertrumpung des Klimas bleibt dennoch berechtigt: Der Grat zwischen selbstbewusster Interessen-Wahrung und Hetze gegen andere ist schmal. Strache kannte hier nie Hemmungen. Kern, Kurz & Co. haben sich hier bisher nicht im Ton vergriffen. Es ist dem Land zu wünschen, dass es dabei auch bleibt. Denn die Agenda der nächsten Monate bleibt alternativlos: Wer Antworten auf die brennenden Fragen der Bürger allein den Rechtspopulisten überlässt, sorgt sehenden Auges dafür, was gerade die Kritiker des neuen Regierungskurses verhindern wollen. Dann haben die Nachfahren Haiders und Austro-Trumps endgültig freie Fahrt Richtung Regierungsmacht.

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