Ungeduld ist gut bei der Reform des Landes
Die letzte Wahl ist nur ein Beispiel für Schlamperei und Gesetzesbruch.
über Reformen im Staat
"Was ich mir abgewöhnen muss, ist die Ungeduld", meinte Bundeskanzler Christian Kern vor ein paar Tagen in einem Interview mit dem KURIER. Falsch. Seit der Verfassungsgerichtshof die Stichwahl zu Bundespräsidenten aufgehoben hat, muss in unserem Land die Ungeduld sogar wachsen, dass endlich mit der Mischung aus Schlamperei, Packelei und offensichtlichen Rechtsbrüchen aufgeräumt wird. Vizekanzler Mitterlehner meinte zum aktuellen Anlass: "Diese österreichische Mentalität – irgendwie werden wir das schon organisieren – ist hier fehl am Platz."
Zunächst: Wir sind natürlich keine Bananenrepublik. Der Verfassungsgerichtshof hat offen verhandelt, Gesetzesbrüche festgestellt und diese auch noch klar begründet. Dieser Teil unserer Demokratie funktioniert also, mehr noch: Wir können Vertrauen in die Grundlage der Demokratie haben, den Rechtsstaat. Und alle diejenigen, wie etwa die FPÖ, die die Verfassungsrichter allzu oft als Handlanger von SPÖ und ÖVP denunziert haben, werden künftig hoffentlich schweigen, wenn ihnen ein richterlicher Spruch wieder einmal nicht gefällt.
Mangelnde Zivilcourage der Habsburger-Erben
Umso mehr wird es künftig auffallen, wenn die beiden Parteien, die gerade noch über eine Mehrheit im Parlament verfügen, das Land wieder rot-schwarz aufteilen. Neos-Chef Matthias Strolz beklagte am Freitagabend im ORF zu Recht den "schlampigen Umgang mit der Macht." An den Schulen etwa wird seit Jahrzehnten herumgedoktert, wobei es stets eine Konstante gibt: Das Wichtigste ist der Einfluss von Parteien und Gewerkschaften. Das verhindert ein neues Dienstrecht – Voraussetzung für eine Autonomie der Schulen – und sorgt dafür, dass das wichtigste Buch in der Schule das Parteibuch bleibt. "Zum Kotzen" befand das Helmut Zilk. Bis heute waren alle Politiker zu feig, daran etwas zu ändern. Dabei kann sich Mut auszahlen, wie die Direktorin beweist, die im KURIER auf Missstände aufmerksam gemacht hat. Sie ist noch immer da (siehe Interview Seite 6).
Es geht wohl um die Frage, warum in Österreich so viele bei illegalen oder zumindest schlampigen Aktionen mitmachen, warum "Zivilcourage" oft ein Fremdwort ist. Wir sind die Erben des Habsburger -Staates, wo die Autorität theoretisch stark, die Verwaltung aber oft weit weg von der Zentrale war. Da entwickelte sich viel Eigenleben, da war der lokale Chef oft wichtiger als der Buchstabe des Gesetzes. Die Verfassungsrichter haben klare Worte für die österreichische Praxis gefunden.
Aber wie ändern wir die Praxis, dass sich auch allzu viele Führungskräfte fürchten, sich nur an ohnehin schwächelnden Parteien orientieren? Die verstaatlichte Industrie ist dadurch ruiniert worden, der ORF und andere Institutionen sind auf dem Weg dorthin. Der PR-Ethikrat hat diese Woche auch von feigen Politikern und Vorständen berichtet, die sich von "Verlegern" erpressen lassen.
Nur Optimisten glauben, dass die Geradlinigkeit der Verfassungsrichter ins Land hineinstrahlt.
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