Panik in Parteien, Neugierde bei Bürgern

Auf der Habenseite der Hofburgwahl steht schon jetzt: Trotz Politiker-Frust keine Spur von Politik-Verdrossenheit.
Josef Votzi

Josef Votzi

Panik in Parteien vor der Hofburg-Wahl, steigende Neugierde bei den Bürgern

von Josef Votzi

über das große Interesse am Hofburg-Wahlkampf

10 Talk-Runden zu je 15 Minuten und eine halbe Stunde Nachspielzeit: Gut drei Stunden Wahlkampf live im ORF sind eine doppelte Premiere. Noch nie kreuzten so viele Kandidaten und so lange die Klingen. Das Sendungsmotto "Jeder gegen jeden" steht prototypisch für das herrschende politische Klima – zuvorderst in den Noch-Regierungsparteien. Weil erstmals weder Rot noch Schwarz sichere Chancen auf den Präsidentenjob hat, liegen dort die Nerven blank. Wahlkampf paradox: Panik in den Parteien, Neugierde bei den Bürgern. Auf der Habenseite dieses Wahlkampfs steht schon jetzt: Trotz massiver Politiker-Verdrossenheit keine Spur von Politik-Verdrossenheit. Hohe Zugriffszahlen auf Online-Medien, übervolle Säle etwa bei den KURIER-Leserdiskussionen und hohe Zuschauerquoten im TV.

Hochspannend, so die ORF-Regie, sollte es gestern noch einmal knapp vor Sendeschluss werden. Die wahrscheinlichsten Finalpaarungen – Griss gegen Hofer und Van der Bellen gegen Hofer – trafen in Runde 8 und 9 aufeinander. Wen immer die Wähler in die Stichwahl schicken, sie setzen damit auch ein Zeichen, welcher Politikertyp generell Zukunft hat: Der Typus Norbert Hofer, dessen Partei weiter auf Robin Hood macht, obwohl ihre Funktionäre ein Jahrzehnt danach noch immer mit der Justiz zu kämpfen haben, weil sie – endlich an der Macht – zu tief in die Staatskassa gegriffen haben sollen. Oder der Typus Alexander Van der Bellen, der zwar in einer Partei fest verwurzelt ist, aber nicht nach Funktionär riecht und politische Breite ausstrahlt. Oder der Typus Irmgard Griss, die Zeit ihres Lebens politisch interessiert war, aber mit Parteien nichts am Hut hatte – und die demonstrative Unabhängigkeit einer Richterin auch im Unruhestand lebt.

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