Ohne Personen droht Parteien das Nichts

Die alten Dogmen der staatstragenden Politik sind mausetot. Bilanz eines total verrückten Wahlkampfs.
Josef Votzi

Josef Votzi

Die alten Glaubenssätze der Politiker sind mausetot: Ohne Personen droht Parteien das Nichts.

von Josef Votzi

über die Bilanz eines total verrückten Hofburg-Wahlkampfs

In diesem Wahlkampf war einiges erwartbar, vieles überraschend, aber alles zunehmend ver-rückt: Die ehernen Gesetze der (partei-)politischen Mechanik gelten nicht mehr. Überkommene Dogmen werden zertrümmert. Zuvorderst der einst von SPÖ-Kanzler Fred Sinowatz überzeugt formulierte Glaubenssatz vieler Politiker: Ohne Partei bin ich nichts.

Am Ende eines langen Wahlkampfs haben jene drei Bewerber die besten Chancen für die Stichwahl, die im Parteiensystem lange keine tragende Rolle spielten oder mit Parteien nichts am Hut haben: Griss, Hofer, Van der Bellen. Die Frontrunner der staatstragenden Parteien mutierten endgültig zu Wiedergängern der Dinosaurier: Der eine auffallend müde, der andere auch im freien Fall trotzig kämpferisch. Meinungsforscher konnten die Stimmverluste zuletzt täglich messen: Rot und Schwarz trifft das "Fallbeil" der Wählerangst vor einer "verlorenen Stimme". Das ÖVP-Lager rinnt vor allem Richtung Irmgard Griss aus; die SPÖ-Anhänger setzten ihre Hoffnung zunehmend auf Alexander Van der Bellen. Der blaue Favorit profitiert von allen Seiten. Blinde Parteitreue war gestern. Der Kunde ist auch in der Politik König. Es gilt:Schau, trau, wem. Und nicht mehr: Right or wrong, my party.

Sprechpausen schlagen Sprechblasen

Wen außer Partei-Dinosaurier wundert es noch, dass da schlichte Propaganda bestenfalls nur ins Leere geht: Was im Budget genau drinsteht, sagen wir erst nach der Wahl. Aber davor trommelt seit Tagen die halbe Regierung: Für den drohenden "Asyl-Notstand" gibt es mehr Geld.

Wo genau die Grenze zum Bruch mit dem bisherigen Asylrecht zu ziehen ist, tut leid, dafür brauchen wir noch – und zwar bis zum Dienstag nach der Präsidentenwahl.

Wen wundert es da, dass einer mit Sprechpausen mehr von sich reden macht als andere mit ihren Sprechblasen? Wen wundert es da, dass eine Lady in Grau schon damit strahlen kann, dass sie proklamiert: Allein ich bin unabhängig? Wen wundert es da, dass einer, der eigentlich ein mitleidiges Lächeln verdient hätte, mit hunderttausend Stimmen oder mehr rechnen kann.

Ver-rückt sind bei dieser Hofburg-Wahl so auch die Grenzen bei einstigen Sympathisanten. Für die Promi-Werbekomitees gilt nicht mehr der legendäre Satz aus " Casablanca": "Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen." 2016 machen jahrzehntelange Rot-Anhänger für einen Ex-Grünen mobil; eingefleischte Schwarze werfen sich für Griss ins Zeug, Liberale werben für den Roten. Wie eine Depesche aus dem Kutschenzeitalter klingt da die zuletzt zu hörende Schelte: Es ist "unanständig", dass Ex-Politiker oder Prominente, die jahrelang "von ihrer Partei profitiert" hätten, nicht für den "eigenen" Parteikandidaten, sondern für einen Mitwerber eintreten. Ist es anständiger, das nur klammheimlich in der Wahlzelle zu tun, aber ja nicht darüber zu reden?

Spätestens ab Sonntag sollte auch dem letzten Dinosaurier langsam dämmern: Erst kommt die Person und dann die Partei – und das ist gut so.

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