Muntere Lehren eines müden Wahlkampfs

Noch regieren SPÖ und ÖVP ziemlich unangefochten das Land. Das wird aber sehr schnell zu Ende gehen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Zwei Wochen haben Frau Griss und die fünf Herren noch, um uns zu erklären, warum sie an die Spitze des Staates wollen. Im Wahlkampf kamen sie bisher nicht dazu, sie mussten ja kochen, Witze erzählen und – so Heinz Fischer – sich in "Allmachtsfantasien" ergehen. Dabei waren die Debatten, wann der Bundespräsident die Regierung entlassen kann, nur ein Symptom dafür, wie labil das politische System geworden ist. Das hat die Ex-Richterin Irmgard Griss viel schneller erkannt als Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol, die nicht wahrhaben wollen, dass sich die von ihnen mitgeprägte Ordnung der traditionellen Parteien plus den damit verbundenen Abhängigkeiten dem Ende zuneigt.

Die guten Umfragen für Frau Griss hingegen geben einen Vorgeschmack darauf, dass immer mehr neue Angebote kommen werden und sich starke Persönlichkeiten recht schnell im politischen System etablieren können. Frank Stronach hat das schon mit viel Geld bewiesen, Frau Griss tut das eher, indem sie Ängste in der Bevölkerung offen anspricht. Wenn Menschen in einer Demokratie Scheu davor haben, sich politisch gegen etablierte Parteien zu engagieren, weil sie berufliche Nachteile erwarten, dann warten sie nur auf Alternativen. SPÖ und ÖVP werden selbst in ihren klassischen Biotopen nicht mehr ernst genommen. Im Zuge der KURIER-Bildungsoffensive melden sich Lehrer, die anonym berichten, dass sie gewerkschaftlich fraktionell organisiert sind, aber sicher nicht die dazugehörigen Parteien wählen, weil sie einfach enttäuscht sind.

Das macht auch die Spekulationen um einen baldigen Bundeskanzler Strache so sinnlos. Die FPÖ mag ja bei den Umfragen deutlich vor SPÖ und FPÖ liegen. Aber die vielen Protestwähler, die zum Höhenflug der FPÖ führen, sind sehr schnell von anderen Angeboten zu überzeugen, die ganz sicher kommen werden.

Der ORF als Symbol für Politik uralt

Politik uralt betreibt auch der ORF. Der sonderbare Baumeister Lugner erfüllt nun einmal alle Voraussetzungen für eine Kandidatur, wäre also gleich zu behandeln. Aber da auch im ORF der – interne – Wahlkampf um Posten tobt und mancher Stiftungsrat gerade besonders wichtig ist, wollte die ORF-Führung der FPÖ eine Freude machen. Jeder weiß, dass Lugner-Stimmen vor allem aus dem FPÖ-Reservoir kommen, also wollte man Lugner kleinhalten.

Gibt es in der traditionellen Politik keine Lernfähigkeit? Personalentscheidungen sind ein mögliches Indiz. Im Moment spricht man in der Regierung über die künftige Leitung des Rechnungshofes. Wird ein durchschnittlicher Kompromisskandidat ausgepackelt, der keinem wehtut, oder trauen sich SPÖ und ÖVP, eine unabhängige Person vorzuschlagen? Für die Wahl des Rechnungshofpräsidenten ist das Parlament zuständig, selbstbewusste Regierungsfraktionen wüssten, was zu tun ist. Aber woher sollen sie die Kraft nehmen, die die Parteien nicht mehr haben? Ja, da geht etwas zu Ende.

Kommentare