Gefühle sind gut – Gedanken wichtiger
Die Wähler entscheiden kurzfristiger, oft bewegt von Emotionen.
Bewegte Bilder, Filme und Live-Szenen werden das Internet und unsere allgegenwärtigen Smartphones, damit also unser Leben, bald noch mehr beherrschen als heute. Das war die These des deutschen Journalisten und Internet-Experten Richard Gutjahr bei einem Gespräch in der KURIER-Redaktion in dieser Woche. Angesichts technischer Verbesserungen, wie schnellerer Übertragungsraten, und noch besserer Bildschirme kann man dem nicht widersprechen. Das heißt, dass das geschriebene Wort in der öffentlichen Kommunikation weniger wichtig wird, Bilder aber uns noch mehr beeinflussen werden. Und: Bilder werden mit ihrer emotionalen Kraft dazu beitragen, dass wir noch mehr von Gefühlen gesteuert werden, erst recht, wenn wir weniger auf das geschriebene Wort vertrauen.
Ein Beispiel: Am vergangenen Donnerstag stand eine Frau vor Gericht, die ihre Burka nicht abnehmen wollte. Als der Richter darauf bestand, tat sie es doch. In den Zeitungen, auch im KURIER, war aber nur ein Foto mit Burka abgebildet, weil man im Gerichtssaal ja nicht fotografieren darf. Das Bild hat getäuscht, der Bericht aufgeklärt. Im Moment, wo Emotionen für und gegen Flüchtlinge die öffentliche Debatte beherrschen, geht es um die logisch nachvollziehbare Darstellung von Fakten, um Aufklärung im besten Sinn, gerade auch gegenüber Zuwanderern. So können wir unseren Rechtsstaat und unsere Werte hochhalten: Wer hier lebt, muss die Trennung von Kirche und Staat ebenso achten wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Aufklärung und Rechtsstaat stehen über allem, Fakten statt Emotionen.
Lesen – denken – wählen
Ein weiteres Bild hat die vergangenen Woche geprägt: Der scheidende VW-Chef Martin Winterkorn – fast am Boden liegend. Das Foto war nicht aktuell, sondern von einer früheren Auto-Show, aber so gut, dass es die Lage des Mannes und seines Konzerns erklärte. Auch hier muss man weiter schauen, was Volkswagen mit dem Diesel-Betrug angestellt hat, und warum das gerade jetzt in den USA das große Thema wird. Dass VW geschummelt hat, dürfte klar sein. Aber dass die US-Autoindustrie schon länger versucht, Dieselmotoren einzuschränken, und zwar nicht der Umwelt, sondern der eigenen Industrie zuliebe, ist halt auch ein Faktum. So gilt auch hier: Nicht bei den Fotos und den Emotionen hängen bleiben, sondern den Blick dahinter machen.
In der Politik wird das immer schwieriger. Die Wähler entscheiden kurzfristiger, oft bewegt von Emotionen. Also: Die verschiedenen Wahlen müssen endlich an einen Tag zu gelegt werden. Da kann dann jeder nachdenken, wen man im Bund, im Land oder in der Gemeinde aus welchem Motiv wählen oder auch abstrafen will. Und kann seine Gunst unterschiedlich verteilen, je nachdem, was die Parteien in Bund, Ländern und Gemeinden anbieten. Zwischendurch soll gearbeitet werden, für Einzelentscheidungen gibt es Referenden. So kann die Demokratie weiterentwickelt werden.
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