Ein seltener Lichtblick in düsteren Zeiten

VdB bot zum Start alles auf, was ihn populär machte. Wunder sind aus der Hofburg auch künftig nicht zu erwarten.
Josef Votzi

Josef Votzi

Am Anfang stand dank Wahlanfechtung und peinlicher Pannen ein Marathon-Wahlkampf. Kein Wunder, dass der jüngst 73 gewordene Alexander Van der Bellen in den Wochen vor dem Einzug in die Hofburg gelegentlich müde und lustlos wirkte.

Müde sahen dank Koalitionskrise gestern freilich viele Minister auf der Regierungsbank im Parlament aus. Van der Bellen hat bei seinem ersten Auftritt im Hohen Haus wieder zu jener Form gefunden, die ihn einst als Chef der Grünen weit über die Ökos hinaus populär gemacht hatte. Von diesem Kapital hatte er auch im Wahlkampf gezehrt: Ein gelegentlich zerstreut wirkender Professor, dem man beim Nachdenken gerne zuhört, der sich aber selber nicht bierernst nimmt. Seine Antrittsrede bot von allem und allen etwas: Eine Geste des Respekts gegenüber dem unterlegenen FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer (dessen Gesinnungsfreunde freilich nicht diese Größe aufbrachten und zum Teil trotzig den Applaus verweigerten). Lockere Abweichungen vom Redemanuskript wie diese: "Das kommt davon, wenn drei eine Rede halten und sich nicht absprechen. Was kann ich da jetzt überspringen..." Und einen bewegenden Appell an die Jugend: "Ich habe nur noch begrenzt Zeit. Ihr seid es, die die Welt neu bauen werden. Wir Älteren brauchen Euch, eure Ideen – und euren Respekt."

Aus der Hofburg sind auch künftig keine politischen Wunder zu erwarten. Das sogenannte Staatsoberhaupt ist und bleibt im besten Fall nicht mehr als eine moralische Instanz. Van der Bellen hat – in diesem Sinne – bei Amtsantritt einiges von seiner früheren Form aufblitzen lassen. Wenn er das in die kommenden sechs Jahre hinüberrettet, dann ist und bleibt der erste Mann im Staat ein seltener Lichtblick in düsteren politischen Zeiten.

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