Das ist die Stunde Europas: So – oder so

Warum wurde Brüssel die Hauptstadt der Europäischen Gemeinschaft? Dazu gibt es viele Anekdoten. Als historisch junger Staat mit wechselhafter Geschichte ist Belgien jedenfalls ein bezeichnendes Symbol für Europa: vielsprachig, zerrissen, bürokratisch – und dann wieder sehr unordentlich. Kulturell ist Belgien reich, kulinarisch reichhaltig, Europa vom Feinsten.

Nach einem Tag des Terrors richtet sich der Blick freilich auf die Unzukömmlichkeiten des Landes, nein Europas. Sicherheitsbehörden beschäftigen sich gerne mit sich selbst, nicht nur in Belgien. Liberalismus wird zur Gleichgültigkeit, wenn sich Gegengesellschaften – nicht Parallelgesellschaften – etablieren und die Mehrheit nur froh ist, nicht dort zu leben. Der Sozialstaat schaut oft nicht nach den Bedürftigen, sondern will sich mit Geld Ruhe erkaufen, eine kurzfristige Strategie. Wie gesagt, alles Phänomene, die wir überall in Europa finden.

Dazu kommt, dass diese Union so schnell und eifrig war, Annehmlichkeiten für Bürger und Unternehmen zu schaffen – von der Niederlassungs- bis zur Reisefreiheit. Und der Euro sollte dafür sorgen, dass die Gesellschaften einander ähnlicher werden. Aber all diese Maßnahmen wurden für die Sonnentage geschaffen, der ESM wurde nicht zufällig Euro-Regenschirm genannt, weil es den verschuldeten Staaten kräftig hineingeregnet hat.

Gemeinsam – oder einsam

Die Europäische Union wird die vielen Freiheiten für die Bürger nur erhalten können, wenn sie gemeinsam die Verteidigung dieser Freiheiten organisiert. Das ist weniger vergnüglich und wird viel Geld kosten. Ein Kontinent ohne innere Grenzen braucht Außengrenzen, deren Verteidigung aber nicht den betroffenen Ländern überlassen werden kann. Die Bekämpfung von Kriminalität und erst recht des Terrors ruft nach einer Gemeinschafts-Polizei – warum haben die Amerikaner das FBI, die Bundespolizei? Und eine gemeinsame Währung verlangt klare Regeln, die überall gelten und auch exekutiert werden.

Weil Europäer halt auch nur Menschen sind, reagieren wir oft nur unter Druck. Euro-Krise, die Überforderung durch die Flüchtlingsströme und der Terror tun aber inzwischen so weh, dass Europa handeln muss – so oder so: Also den zunächst einfacheren, aber sicher teureren Weg zurück zu den Nationalstaaten gehen, die, siehe Belgien, auch nicht funktionieren. Oder die vielen Hürden in den Köpfen überwinden und ein gemeinsames Europa bauen. Langsam, mühsam, mit Rückschlägen – das sind die Alternativen. So durchlavieren wie bis jetzt können wir uns nicht mehr lange.