Holocaust-Überlebende fordern Entfernung von Lueger-Denkmal in Wien
In der Debatte um das Wiener Karl-Lueger-Denkmal an der Ringstraße rufen nun neun Holocaust-Überlebende, unter ihnen Nobelpreisträger Eric Kandel und Schriftsteller Georg Stefan Troller, den Wiener Bürgermeister zum Handeln auf, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" am Freitag vorab. Am Montag gibt es dazu auch eine Pressekonferenz in Wien.
Denkmal für Antisemiten „schmerzt“
In einem offenen Brief, der an Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gerichtet ist, heißt es: "Es schmerzt uns, dass Karl Lueger, einer der prononciertesten Antisemiten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, immer noch im Herzen Wiens geehrt wird. Wir sind der Überzeugung, dass der Platz umbenannt werden und das Ehrenmal entfernt werden muss. Die Untätigkeit der Stadt in dieser Sache - trotz lang anhaltender öffentlicher Debatte - ist beschämend."
Unter den Unterzeichnern ist der Neurowissenschaftler und Medizin-Nobelpreisträger Kandel, der in Wien geboren wurde und der mit seiner Familie 1939 in die USA emigrieren musste. Auch der in Paris lebende Schriftsteller und renommierte Journalist Troller, der Wien als 16-Jähriger verlassen musste, schloss sich der Initiative an. Weitere Holocaust-Überlebende, die in den USA oder in Israel leben, wie die Sozialwissenschaftlerin Riane Eisler, die Literaturwissenschaftlerinnen Lore Segal und Evelyn Torton Beck, der Künstler Fred Terna, der Schriftsteller Zvi Jagendorf und der Lyriker Elazar Benyoëtz, unterstützen diesen Aufruf. Kurt Rosenkranz, der nach dem Einmarsch der Nazis mit seinen Eltern aus Österreich fliehen musste und 1946 zurückkehrte, gehört ebenfalls zu den Unterzeichnern.
Dieser Appell wird am kommenden Montag im Presseclub Concordia in Wien öffentlich präsentiert - mit dabei sind Mirjam Zadoff, die das NS-Dokumentionsarchiv in München leitet, Dirk Rupnow vom Institut für Zeitgeschichte Innsbruck, und Benjamin Kaufmann, Co-Präsident der Licra Österreich, der Liga gegen Rassismus und Antisemitismus.
Die Stadt Wien ist bisher gegen eine Entfernung des Denkmals und strebt eine "künstlerische Kontextualiserung" an. Die inhaltlichen Kriterien für den geladenen Wettbewerb soll eine wissenschaftliche Kommission festlegen.
Das insgesamt 20 Meter hohe Denkmal mit einer vier Meter hohen Bronzefigur Luegers am Stubentor wurde 1926 errichtet und sorgt seit Jahren für Debatten. Immer wieder wurde von Kritikern eine Umgestaltung oder gar Entfernung gefordert. Seit dem Vorjahr ist das umstrittene Bauwerk mit dem Wort "Schande" besprüht. Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) hatte im Mai 2021 zu einem Runden Tisch mit rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern geladen, um die unterschiedlichen Positionen und Stakeholder zusammenzuführen.
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