Sex? Trotzdem Herrlich!

Es ist kompliziert. Intimität hat sich verändert – durch die Bilder aus Online-Pornos. Aber auch aufgrund einer verzerrten Selbstwahrnehmung, „made by“ Selfies. Mehr denn je sind Eltern gefordert, offen über Sex zu sprechen. Über seine Kraft und das, was ihn ausmacht – als respektvolle, herrliche, gemeinsame Erfahrung.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Natürlich sind die Amis anders, wenn’s um Sex geht. Prüder, einerseits. Andererseits ist die Perversionsdichte bei so vielen Menschen auch nicht gerade ohne. Alles ist möglich. Mag sein, dass das neueste Buch „Girls and Sex“ der Bestseller-Autorin Peggy Orenstein für uns wenig repräsentativ ist, weil es das Sexualverhalten von College-Teens der mittleren und oberen Ostküsten-Schicht thematisiert. Und dennoch: Vieles davon lässt sich auf unsere Verhältnisse umlegen. Für das Werk hat Orenstein 70 junge Frauen zwischen 15 und 20 befragt – das Ergebnis kompakt: Porno ist immer und überall, auch und vor allem in den Köpfen von Burschen. Das ergibt neue Bilder – von Sex per se: Die Protagonisten müssten laut stöhnen, Ganzkörper-gewaxt sollten sie sein, willig und bereit. Und da ist Aggression. One Night Stands auf Jägermeister sind ebenso Thema wie die „Selfisierung“ der Körperwahrnehmung – junge Frauen werden nicht nur als (gepimpte) Objekte wahrgenommen, sie fühlen sich selbst so. Sie funktionieren statt zu fühlen und auf sich selbst zu achten. Die sexuelle Welt ist komplizierter denn je, moniert die Autorin. Vieles hätte sich verändert und wäre nicht mit den Erfahrungen vorangehender Generation zu vergleichen. Klar, aber was tun? Zweifellos: Eltern sind bei der Sexualerziehung geforderter denn je. Allerdings: Wer versucht hat, auf ein pubertierendes Wesen einzuwirken, weiß um die Aussichtslosigkeit dieses Manövers. Mit einem 15-Jährigen über Masturbationsvorlagen aus dem Pornokanal solide zu plauschen, wird peinlich und schwierig. Daher gilt auch bei der Sexualerziehung das Motto „Der frühe Vogel fängt den Wurm“. Dazu gehört nicht nur die Entmystifizierung des Bienchen & Blümchendings, sondern der behutsame Aufbau von Respekt. Für den eigenen Körper, die eigenen Bedürfnisse, für die innere Stimme. Weil sie es ist, die später für das richtige Bauchgefühl sorgt: Das tut mir gut, das brauche ich zu meinem Glück. Oder aber: Das will ich nicht, damit geht’s mir nicht gut. Orenstein bemängelt auch, dass der Fokus bei der Sexualerziehung viel zu sehr auf Themen wie Krankheit und Verhütung läge. Superwichtig, klar. Aber jungen Menschen zu kommunizieren, dass Sex etwas Wunderbares sein kann, das Energie und Glück spendet, ist mindestens ebenso wichtig. Dazu könnte man sich übrigens eine neue Studie zur Wahrnehmung von Oralsex auf der Zunge zergehen lassen. Zwei Soziologinnen fanden heraus, dass Männer und Frauen Cunnilingus als weitaus heftigeres Ding betrachten als Fellatio. Der Hauptgrund: Die negative Wahrnehmung weiblicher Genitalien aus Sicht beider Geschlechter. Anders die Sache Blowjob: Der muss, der gehört dazu. Frauen praktizieren ihn, wenn ihnen gar nicht danach ist und entwickeln sogar Strategien, um diese Erfahrung erträglicher zu machen. Sexuell mündig zu sein, heißt daher auch, nicht auf die Bilder und Vorgaben reinzufallen, die via Pornokanal ins Jugendzimmer streamen. Ein Grundsatz, der dringend in den Lebensrucksack der Jungen gehört: Dass es wichtig ist, füreinander dazu sein und aufeinander zu achten. Und dass Sex etwas ist, das auf Augenhöhe geschieht.gabriele.kuhn@kurier.at

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