Der Spielverderber
Meine Yogi-Freunde meinen, das Yoga habe meine Energiebahnen normalisiert.
über Yoga
Wenn man ein Jahr lang herumreist und täglich in einer anderen Stadt übernachtet, dann ist man nach Ablauf dieses Jahres hinig. Reisen tut dem Menschen gut. Zu viel reisen macht den Menschen kaputt. Körperlich, weil der Rücken fürchterlich schmerzt. Seelisch, weil man nachts aufwachend nie weiß, wo man sich befindet. So ging es mir im März. Die Lesereise war zwar vorbei, ich jedoch konnte nimmer auf dem Rücken liegen und befand mich im ständigen Alarmzustand, einen Flug zu verpassen. Und nachts schreckte ich mehrmals hoch: Wo bin ich bloß? Ich versuchte allerhand Normalitätseingewöhnungsprogramme. Doch was half? Einatmen: den Brustkorb in Kobra hochziehen. Ausatmen: in den Nach-unten-blickenden-Hund gleiten. Einatmen: rechten Fuß voranstellen für die Krieger-2-Position. Genau, Yoga. Und es ist großartig! Rücken wie Seele fanden Frieden, und dann geschah ein Wunder: Es wurde wärmer, die Pollen fliegen, und ich muss nicht niesen! Ohne Tabletten zu nehmen! Meine Yogi-Freunde meinen, das Yoga habe meine Energiebahnen normalisiert und meine schwere
Pollenallergie geheilt. Klingt speziell, aber: whatever works! Ich will mich also in einen Ashram einbuchen, fest überzeugt, dass dort alle meine anderen Probleme gelöst werden, als plötzlich das Telefon läutet und mein Lieblingsarzt Dr. Croco dran ist. Der Spielverderber war nie ein Fan der Yoga-Theorie. „Vea, hast du in Amerika Schlaftabletten gekauft?“ Peinliche Stille. „Ich versprech’s, ich nehm die nur, bis ich in der Nacht wieder weiß, wo ich bin.“ „Egal! Was steht da drauf?“ „Diphenhydramin.“ „Vea, das ist ein Antihistamin.“ „?“ „Vea! YOGA HAT DICH NICHT VON DER ALLERGIE GEHEILT, SONDERN WAS IN AMERIKA ALS SCHLAFTABLETTE VERKAUFT WIRD, VERSCHREIBT MAN BEI UNS GEGEN ALLERGIEN!“ Ahso. Okay. Mhm. Zu erfahren, dass es kein Christkind gibt, war nicht so hart.
vea.kaiser@kurier.at
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