Leidenschaft in der Nische
Meine Eltern wollten ein Kind, das keine Schwierigkeiten hat, was impliziert, dass es auch keine macht.
über meinen Namen
Meine Eltern hatten’s nie leicht mit mir. Sie wollten ein Kind, das keine Schwierigkeiten hat, was impliziert, dass es auch keine macht. Falls Sie sich gefragt haben, woher mein komischer Name kommt: Natürlich wurde ich nicht Vea getauft. Meine Eltern wollten mir einen Namen geben, der anderen Kindern keinen Anlass zum Spott bietet, also entschieden sie sich für den häufigsten Namen der späten 80er: Verena. In der Schule waren wir allerdings sechs Verenas. Und schon als Kind war für mich unmöglich, so zu heißen wie alle anderen, geschweige denn das zu machen, was alle anderen machen. Als in der 4. Klasse Gym alle entschieden, entweder Spanisch oder Französisch zu lernen, wollte ich natürlich Altgriechisch lernen. Ich hätte so gern ein
Tattoo, habe aber keines, weil in meiner Generation jeder eines hat. Alle studierten Jus, Medizin, Lehramt oder BWL. Ich entschied mich für Altgriechisch. Meine Eltern waren nicht wenig verzweifelt. Das Kind lernt so leicht, und dann lernt es etwas, was niemand braucht. Doch dieses Studium war keine Trotzreaktion, es war die Nische, in der das Kind Leidenschaft entwickeln konnte. Und zwar seine eigene Leidenschaft, nicht eine Leidenschaft, die alle haben. Ich bin jeden Tag glücklich über diese Entscheidung, doch je älter ich werde, desto mehr schmerzt mich, dass meine Eltern diese Leidenschaft nicht teilen. Also schenkte ich ihnen zum Mutter- & Vatertag eine Patenschaft für eine antike Vase im Kunsthistorischen Museum. Wir gehen nun regelmäßig ins KHM, damit meine Eltern ihre Vase besuchen können, und ich ihnen im Vorbeigehen erzählen kann, warum mich dieses alte Klumpert so fasziniert. Andere Eltern in unserem Dorf fahren schicke Autos. Meine Eltern sind nun Kunstpaten. Und vielleicht verstehen sie jetzt, was mir bereits als Kind so wichtig war: Anders sein macht richtig Spaß.
vea.kaiser@kurier.at
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