Krisenpräsident

Ich habe mich geirrt - der Präsidentschaftswahlkampf hat Spannung deluxe geboten.
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Vor einigen Wochen hatte ich an dieser Stelle dafür plädiert, dendiedas Bundespräsidenten, wenn man dieses Amt schon nicht abschaffen kann, doch lieber per Casting-Show zu wählen. Heute muss ich mich entschuldigen: Das war eine blödsinnige Idee. Ich hatte einen langweiligen Wahlkampf mit absehbarem Ergebnis und geringem Interesse der Bevölkerung erwartet. Und was ist passiert? Die üblichen Verdächtigen von den Großparteien taten alles, um bloß nicht zu gewinnen. Den beiden ein bissi mehr und ein bissi weniger unabhängigen Kandidaten werden gute Chancen auf die Stichwahl vorhergesagt, und ein Mann, der einer deutschtümelnden Burschenschaft angehört, laut der die österreichische Nation eine „geschichtswidrige Fiktion“ sei, will ÖSTERREICHISCHER Bundespräsident werden. Und Richard Lugner gibt’s auch. Spannung deluxe. Ich irre mich ungern, in diesem Fall bin ich jedoch froh, mich geirrt zu haben. Mittlerweile nehme ich sogar zurück, dass man dieses Amt nicht braucht. Denn dieser Tage geht es um die Demokratie in Krisenzeiten. Die Grundlage der Demokratie ist Freiheit. Und diese Freiheit wird attackiert. Der türkische Noch-Präsident-aber-schon-am-Weg-zum-Diktator will einen deutschen Satiriker mundtot machen. Rechtsextreme stürmen die Aufführung eines Jelinek-Theaterstücks an der Uni Wien. Wenn die Freiheit des Wortes gefährdet wird, braucht es laute und mutige Stimmen, die gegen diese anti-demokratischen Tendenzen ansprechen. Die Regierung aufzulösen, wenn ihr Handeln nicht gefällt (so wie der Burschi-Kandidat in beängstigenden Allmachtsphantasien daherträumt) darf nicht die Aufgabe eineseiner demokratischen Präsidenten sein. Sondern jede Sekunde laut und deutlich für die Werte der Demokratie einzustehen, um die Demokratie in der Krise zu stärken. Morgen dürfen wir entscheiden, wem wir das zutrauen.vea.kaiser@kurier.at

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