Ein Besuch in der Mall of America

Mich stresst es bereits, wenn mir mein Puszta-Boy einen Einkaufszettel für den großen Spar um die Ecke schreibt.
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Haben Sie gelegentlich einen dieser masochistischen Neugierds-Anfälle, in dem Sie beschließen, etwas zu erkunden, von dem Sie wissen, dass es Ihnen ungünstig zusetzen wird? Z.B. wenn Sie etwas essen, das Sie nicht vertragen? Sich in Höhen wagen, die Ihnen Schwindel bereiten? Sich in jemanden verlieben, der Ihnen das Herz brechen wird? Ich hatte an meinem letzten Tag in den USA solch einen Anfall, der mich dazu trieb, das meistbesuchte Einkaufszentrum der Welt zu besuchen, die Mall of America. Die Shopping Kings und Queens werden nun vielleicht meinen, ach, wie schön, aber mich stresst es bereits, wenn mir mein Puszta-Boy einen Einkaufszettel für den großen Spar um die Ecke schreibt. Doch nun hab ich mich in das Herz des Kapitalismus gewagt. Es hat vier Geschoße, beherbergt Filialen aller denkbaren Ketten, Kinosäle, ein gewaltiges Haifisch-Aquarium und das alles ringförmig um einen Vergnügungspark aufgebaut. Es ist laut, bunt, es glitzert, es blinkt, es riecht nach Lush-Seifen und Popcorn, dort weinen Kinder, als ob sie nie wieder Glück erleben würden, nur um im nächsten Moment vor Freude zu kreischen, als hätten sie Welpen ohne Wachstumshormone gewonnen. Morgen ist Ostern und ich hoffe, dass es keine Geschenke gibt. Ich weiß jetzt, welche Schreckensgestalten ungebremster Konsum annehmen kann. Außerdem, als ich klein war, versteckte mein Vater einmal die Osternesterln im Stall meines Zwergkaninchens. Selbiges war nur dem Namen nach ein Zwerg und durch seine Fresssucht doppelt so schwer wie die Katze. Dieses Tier ließ sich von Verpackungen nicht abschrecken und bis wir Kinder das Versteck entdeckt hatten, hatte es die Schokolade samt Alufolie verputzt. Seine Pemmerln glitzerten noch wochenlang wie Lametta. Sie sehen: Zu Ostern sollte man sich nix schenken.

vea.kaiser@kurier.at

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