Integration: Vererbte Unbildung

Eine Person schreibt das Wort „Integration“ mit Kreide an eine grüne Tafel.
Oft sind es auch die Eltern, die Kinder mit Migrationshintergrund um den Schulerfolg bringen. Sie gehören in die Pflicht genommen.
Christoph Schwarz

Christoph Schwarz

Es sind bedenkliche Zahlen, die der neue pinke Bildungsstadtrat in Wien, Christoph Wiederkehr, mittels Studie zutage gefördert hat: Demnach wechseln in Wien alljährlich 71 Prozent aller Kinder mit deutscher Alltagssprache nach der Volksschule in eine AHS. Bei Kindern mit nicht-deutscher Umgangssprache – im Klartext: bei Migranten – sind es nur 41 Prozent.

Warum das so bedenklich ist? Weil nicht davon auszugehen ist, dass die eine Gruppe per se weniger klug, talentiert oder wissbegierig ist.

Heißt im Umkehrschluss: Auch im Jahr 2021 gelingt es in Österreich nicht, alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft in ihren Stärken und Talenten zu fördern. Es ist nicht (nur) die Eignung, die entscheidet, wer den Aufstieg schafft. Oft ist es vielmehr der familiäre – sprich: der soziale – Hintergrund. (Dass die Neue Mittelschule in den Städten immer noch eine Art Restschule für Gescheiterte ist, macht die Sache noch schlimmer.)

Bildung wird in Österreich vererbt. Unbildung auch. Das ist in doppelter Weise ein Problem. Für die Betroffenen selbst, aber auch für die Gesellschaft. Wenn Potenziale von jungen Menschen mit Migrationshintergrund – eine zahlenmäßig wachsende Gruppe – nicht ausgeschöpft werden, ist das weder wirtschaftlich noch sozial zukunftsweisend. Wir benötigen alle klugen Köpfe. Und was Parallelgesellschaften und frustrierte Bildungsverlierer anrichten, ist sattsam bekannt.

Jahrzehntelang wurde das Problem totgeschwiegen, die Debatte den Rechtspopulisten überlassen. (Andere Länder machten da längst vor, wie es klappen kann.) Und bis heute wird ein zentraler Aspekt nur verschämt angesprochen: die Rolle des Elternhauses. Oft stammen diese Kinder aus Haushalten, in denen Bildung nicht als Wert anerkannt ist. In denen Eltern mangels eigener Sprachkenntnisse den Schulerfolg weder nachverfolgen noch unterstützen können. (Der Lockdown und das Homeschooling treffen sie besonders hart.) In denen der simple Gang zum Elternsprechtag zur Hürde wird. Noch eine Zahl gefällig? Bei einem Drittel der Wiener Kinder hat keiner der beiden Elternteile eigene Erfahrungen mit dem heimischen Schulsystem gemacht. Da sind Probleme programmiert.

Die Schulen tun mittlerweile viel für diese Menschen – sie informieren, ermutigen, erleichtern den Zugang. All das ist gut. Es darf aber nicht überdecken, dass Integration auch eine Bringschuld ist. Eltern, die den Bildungserfolg ihrer Kinder gefährden, gehören in die Pflicht genommen. Der eingangs erwähnte Bildungsstadtrat Wiederkehr hat im KURIER-Interview unlängst mit der mutigen Idee aufhorchen lassen, den Besuch des Elternsprechtags zur Pflicht zu machen und Nicht-Erscheinen zu bestrafen. Mittlerweile hat er das Konzept klammheimlich in einer tiefen Schublade verschwinden lassen. Ob die Wiener SPÖ da ihre Finger im Spiel hatte?

Den Schaden, den haben jedenfalls die Kinder.

Integration: Vererbte Unbildung

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