Gefühlspolitik macht nur scheinbar stark

Den Briten hat man eingeredet, dass sie „souverän“ und mächtig sein werden. Jetzt sind sie weder noch.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Wer das Wort Brexit in die Suchmaschine Google eingibt, bekommt als ersten Vorschlag das Wort „lies“ – Lügen. Eine eigene Website fasst die Lügen zusammen – brexitlies.com. Ja, ohne die zum Teil absurden Lügen der Kampagne im Jahr 2016 hätte es keine Mehrheit für den Austritt Großbritanniens aus der EU gegeben. Das lässt sich heute leicht sagen, wobei die enormen, zum Teil umstrittenen Beträge zur Finanzierung der Kampagne auch ihren Anteil hatten.

Jetzt müssen die Briten schauen, wie sie aus ihrer hoffnungslos scheinenden Lage wieder herauskommen. Die EU könnte ihr beim besten Willen nicht helfen. Das Abkommen, das Theresa May ausgehandelt hat, ist für Großbritannien gar nicht so schlecht, aber die Briten bleiben weiter in einem Vertragsverhältnis zur EU. Es war eine der Lügen, dass sich das Königreich völlig von Europa abkoppeln würde. Wird der Vertrag aber nicht angenommen, gibt es den „Hard Brexit“, der den Briten – und leider auch den Staaten der EU schaden wird. Das wollen nur die ganz Verrückten oder die verantwortungslosen politischen Spieler wie Boris Johnson, dem nicht nur die Frisur durcheinandergekommen ist. Er war ja für den Verbleib in der EU, bis er glaubte, über eine Brexit-Kampagne Premierminister werden zu können.

Was aber können wir aus dem Desaster lernen? Zunächst einmal, dass wir uns alle Versprechen von Politikern genau ansehen, vor allem, wenn uns ganz einfache Lösungen versprochen werden. Gerne wird ja mit Geld – und Neid – argumentiert. Den Briten wurde versprochen, 350 Millionen Pfund, die wöchentlich nach Brüssel überwiesen würden, in das nationale Gesundheitssystem zu stecken. Zunächst waren es keine 350 Millionen, dann wird Großbritannien noch länger Zahlungen haben und die Kranken werden noch lange nicht mehr Geld sehen – Nur so nebenbei: eine „Funktionärsmilliarde“ kann man bei unseren Kassen auch nicht finden.

Souverän sind wir nur gemeinsam

Die übelste Lüge aber war wohl das Versprechen, Großbritannien würde wieder „souverän“ werden. Auch in Österreich heißt es oft, wir müssten souverän sein. Aber keines der großen Probleme der Menschheit kann ein Staat alleine lösen, ob es der Klimawandel, die Migration oder auch das gar nicht stabile Finanzsystem ist. Großmaul Trump kann zwar heftig auf China losgehen, aber am Ende braucht er diese wichtige Produktionsstätte der USA. Wir Europäer tun uns selbst Gutes, wenn wir afrikanische Länder bei der Entwicklung unterstützen. Und Schadstoffe kennen sowieso keine Grenzen.

Populisten wollen den angeblichen Schutz durch die Nation – ein junges Konstrukt, das in seiner fanatischen Überspitzung den Menschen das größte Unheil beschert hat. Der größte Feind des Populismus sind Fakten. Deshalb emotionalisieren sie jede Debatte und zweifeln auch an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Aber Gefühle, gerade von Nationen, lösen kein Problem. Dank an die Briten, die uns das gerade so klarmachen (müssen).

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