Zum EM-Finale: Der Fußball ist wieder zu Hause

Für die Löwinnen war es doch kein Exit. Der Sieg der „Lionesses“ gegen Spanien im Finale der Fußball-EM in der Schweiz spielt auf ein gewisses Identitätsdilemma an. Es war die Stunde Englands, nicht die des Vereinigten Königreichs oder gar Großbritanniens. Dennoch wurde dem Team dieser Inselgruppe zugejubelt. Beim Finalsieg handle es sich um einen Sieg, auf den „die Nation“ stolz sein könne, wie Premierminister Keir Starmer es formulierte. Wie jeder gelernte Brite weiß, funktionieren viele Dinge in England, Großbritannien oder dem Vereinigten Königreich – wie immer man es nennen möchte – nicht so, wie sie sollten, königliche Begräbnisse und Jubiläen einmal ausgenommen. Fußball fettet diese etwas magere Liste durchaus auf.
Fußball ist eines der wenigen Themen in Großbritannien, bei dem den Royals zugestanden wird, Partei zu ergreifen. Die verstorbene Königin Elisabeth II. soll Anhängerin von Arsenal gewesen sein. König Charles wiederum ist Fan von Burnley FC, während Prinz William ein passionierter Supporter von Aston Villa aus Birmingham ist.

Melanie Sully
Politiker hingegen geraten mitunter in Schwierigkeiten, wenn sie sich für ein Team entscheiden. So gab Ex-Premier David Cameron im Wahlkampf 2015 bekannt, Fan von West Ham United zu sein, obwohl er als Aston- Villa-Fan bekannt war. Trotz dieses Eigentors gewann er überraschend die Unterhauswahl.
Der aktuelle Premier Starmer geriet nach seinem Erdrutschsieg bei den letzten Wahlen in Schwierigkeiten, als er Einladungen im Wert von mehreren Tausend Pfund zu Spielen seines Lieblingsteams Arsenal annahm. Mit seinem Sohn ins Stadion zu gehen und dabei nur die besten Plätze zu nehmen, war ein Hobby, das er nicht aufgeben wollte. Und wenn ihm dieses Hobby von anderen – alles legal natürlich – finanziert wird, wer könnte es ihm übel nehmen? Man gönnt sich ja bekanntlich sonst nichts.
Tony Blair, ein Fan von Newcastle United, wurde während seiner Zeit als Premierminister oft dabei gesehen, als er auf dem Landsitz Chequers Fußball spielte. Damals wurde Fußball noch als „typisch männlicher“ Sport mit Wurzeln in den Arbeiterbezirken wahrgenommen. Nachdem der Konservative John Major 1997 die Wahl gegen Blair verloren hatte, trat er zurück und ist aus der Downing Street Richtung Oval Cricket Ground gefahren. Die konservative Traditionalistin Theresa May war ebenso dafür bekannt, sich Cricketspiele anzuschauen, die ewig lange dauern können. In gewisser Hinsicht symbolisierte dies ihre Brexit-Verhandlungen. Boris Johnson wiederum fühlte sich auf dem Rugbyfeld wohl, wo er jeden Spieler in Sichtweite auf respektlose Weise niederrempelte – eine oft angewandte Methode in der Politik.
Die „Lionesses“ haben Fußball als Sportart für Frauen etabliert. Ihr Spiel ist oft chaotisch, aber auch von erstaunlicher Hartnäckigkeit und immer wieder mit dem notwendigen Quäntchen Glück versehen. Auch ganz England wurde schon oft abgeschrieben, hat aber immer wieder für Überraschungen in letzter Minute gesorgt.
Zur Autorin:
Melanie Sully ist gebürtige Engländerin, Politologin in Wien und unterstützt Löwinnen und Löwen.
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