Zeitgemäße Suche statt Lehrermangel

Mit jedem neuen Schuljahr zeigt sich dasselbe Bild: Es fehlen Lehrerinnen und Lehrer. Dieses Problem ist seit Ende der 1990er-Jahre bekannt – aber anstatt strategisch gegenzusteuern, stolpert das Bildungssystem Jahr für Jahr von Notlösung zu Notlösung. Dabei ist längst klar: Der Lehrermangel ist keine reine Bildungskatastrophe. Er ist vor allem eine HR-Aufgabe (Human Resources, engl. für Personalwesen, Anm.).
Was Unternehmen längst verstanden haben: Wer keine langfristige Personalstrategie hat, scheitert. Unternehmen investieren gezielt in Employer Branding, digitale Prozesse, flexible Arbeitsmodelle und Karrierewege. Auch das Schulsystem hätte hier mehr Möglichkeiten, als man auf den ersten Blick vielleicht denkt. Ein gutes Beispiel: Quereinsteiger haben seit 2023 durch ein systematisches Modell die Möglichkeit, aus der Wirtschaft in die Schule zu wechseln. Wer ein Fachstudium und drei Jahre Berufserfahrung vorweisen kann sowie das Einstellungsverfahren erfolgreich absolviert, dem steht für den Quereinstieg nichts mehr im Wege. Generell ein gutes Konzept.

Julie Gruber
Finden, halten, entwickeln
Doch so schnell, wie der Einstieg erfolgen kann, ist manchmal auch wieder der Ausstieg. Mögliche Gründe: falsche Erwartungen, fehlende Schlüsselkompetenzen. Gutes Recruiting bedeutet nämlich weit mehr, als auf Lebensläufe zu schauen.
Gerade bei Lehrern sind Soft Skills wie Resilienz, Empathie und Kommunikationsfähigkeit unabdingbar für eine erfolgreiche und erfüllende Berufslaufbahn. Kompetenzen, die man durch gezielte Weiterbildung fördern kann. So wie Unternehmen können auch Schulen von Assessments und strukturiertem Talentmanagement profitieren.
Jobsharing ist nicht unmöglich, flexiblere Arbeitszeitmodelle oder Interims-Management durch pensionierte Lehrkräfte können dazu beitragen, Personal nicht nur zu finden, sondern auch zu halten. Statt diesen Job als spannende und zukunftsträchtige Aufgabe zu präsentieren, bleibt das aktuelle Bild vom Lehrer starr: Klassenzimmer, Frontalunterricht, wenig Entwicklungsperspektiven.
Employer Branding für Schulen hat durchaus Potenzial: Werben, was sie jungen Pädagogen bieten, Vorbilder sichtbar machen, die den Beruf lieben und weiterempfehlen und Karrierepfade entwickeln – nicht nur vom Klassenzimmer in die Direktion, sondern auch über Fachkarrieren, die Expertisen vor den Vorhang holen.
Wenig verändert
Als strukturelles Problem erkannt, braucht es zudem angepasste, zeitgemäße Prozesse. Blicke ich auf meine Schulzeit vor 35 Jahren zurück, hat sich erstaunlich wenig geändert. Welches Unternehmen könnte sich das leisten? Digitalisierung kann mehr Effizienz bringen und Freiraum für das Unterrichten schaffen. Anpassungen müssen im Lehrplan, bei der Mitarbeitersuche und bei Prozessen gleichermaßen passieren.
Schule braucht ein professionell gemanagtes HR-System, wie viele Großunternehmen es heutzutage auch nutzen. Mit einem Blick über den Tellerrand können auch hier Prozesse von Bürokratie entlastet und Digitalisierung vorangetrieben werden. Weitblick und Flexibilität helfen, langfristig zu planen, statt in Legislaturperioden zu denken.
Zur Autorin:
Julie Gruber ist Gründerin des HR Interim Management Netzwerks Wolkenrot.
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