Pensionsdebatte: Alter ist kein Makel – sondern Erfahrung

Wenn über Pensionen diskutiert wird, sind Panik und Drohkulissen nie weit: „Die Lebenserwartung steigt – die Pensionen gehen sich nicht mehr aus.“ Doch für Österreich stimmt das nicht. Laut aktuellem EU-Ageing Report stagniert die Lebenserwartung seit 2012, in jüngerer Zeit ist sie sogar leicht rückläufig. Männer gewannen in zehn Jahren 0,31 Jahre dazu, Frauen 0,24 – das sind minimale Werte, keine Rechtfertigung für neue Kürzungsdebatten.
Dennoch fordern manche reflexhaft ein höheres Pensionsantrittsalter. Doch wer 40 Jahre hart gearbeitet hat, verdient einen fairen Ruhestand – nicht noch zusätzliche Hürden. Solange Arbeit nicht gesünder und zumutbarer wird, sind solche Forderungen nichts anderes als soziale Kälte.
Ein Problem wird dabei systematisch verdrängt: Ältere Menschen werden am Arbeitsmarkt ausgegrenzt. Ein Drittel der österreichischen Betriebe beschäftigt niemanden über 60 Jahre. Wer mit 58 Jahren den Job verliert, findet oft keinen neuen mehr. Bewerbungen bleiben unbeantwortet, Weiterbildungen werden verweigert, langjährige Beschäftigte aufs Abstellgleis gestellt. Altersdiskriminierung ist kein Randthema, sondern harte Realität. Angesichts dessen braucht es keine zynische Diskussion über eine Pension mit 70 Jahren, sondern Unternehmern muss endlich klar werden, wie wertvoll ältere Beschäftigte sind. Ihr Erfahrungsschatz, ihre Krisenstabilität und ihre Loyalität sind klare Stärken.
Das zu ignorieren, ist nicht nur unfair, sondern auch naiv. Gerade jetzt, wo überall Hände und Köpfe fehlen, braucht es die Kompetenz der Älteren. Ihre Erfahrung ist ein Kapital, das wir uns nicht leisten können zu verschenken.

Monika Kemperle
Verantwortung
Wer ältere Beschäftigte pauschal als „zu teuer“ abstempelt, raubt ihnen Chancen und verschärft den Fachkräftebedarf. Hier sind auch die Betriebe gefordert: Sie müssen Verantwortung übernehmen. Beispielsweise könnten jene Betriebe, die auf Erfahrung setzen, finanziell unterstützt werden, während Unternehmen, die ältere Beschäftigte systematisch ausschließen, Ausgleichszahlungen leisten sollen.
Gesündere, flexiblere Jobs sind der Schlüssel: weniger Druck, bessere Planbarkeit, angepasste Arbeitszeiten, Phasenmodelle, Homeoffice oder Gesundheitsangebote direkt im Betrieb. Viele Menschen wollen länger aktiv bleiben – sie können es auch, wenn Arbeit endlich alters- und alternsgerecht gestaltet wird.
Statt um Pensionsanpassungen zu diskutieren ist es viel wichtiger Menschen, die ihr Leben lang eingezahlt haben, vor Altersarmut zu schützen. Denn es ist mitunter diese Generation, die Österreichs Wohlstand mit aufgebaut hat.
Das österreichische Pensionssystem ist stabil und finanzierbar. Panikmache dient vor allem dazu, private Vorsorgeprodukte zu verkaufen und das gesetzliche Pensionsalter weiter anzuheben.
Es ist ganz einfach: Wer gesunde, sichere und faire Arbeitsplätze schafft und Ältere nicht ausgrenzt, sichert auch gute Pensionen.
Zur Autorin:
Monika Kemperle ist Bundespensionist:innenvorsitzende des ÖGB.
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