Lawfare: Wenn das Recht zur Waffe wird

Ein Richter hält einen Hammer im Gerichtssaal.
Anzeigen sind ein innenpolitisches Werkzeug. Auch Unternehmen sehen sich häufig gezielten Kampagnen ausgesetzt. Ein Gastkommentar von Viktor Niedermayr und Martin Kollar.

Anzeigen, Ermittlungen und Gerichtsverfahren sind heute Teil politischer und medialer Machtspiele. Der Begriff Lawfare, eine Kombination aus law („Recht“) und warfare („Kriegsführung“), beschreibt den gezielten Einsatz juristischer Mittel, um politische oder wirtschaftliche Gegner einzuschüchtern, zu schwächen oder zu delegitimieren.

In der Geopolitik tritt Lawfare in vielen Formen auf, etwa in der Nutzung wirtschaftlicher Sanktionen oder internationaler Gerichte. Recht wird dabei zu einem Instrument der Einflussnahme auf die Politik ganzer Staaten. Besonders heftig diskutiert werden die internationalen Verfahren gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof und dem Internationalen Strafgerichtshof. Während die einen darin ein legitimes Mittel zur Durchsetzung des Völkerrechts sehen, werten andere dies als politisch motivierten Versuch, Israel juristisch zu delegitimieren. Beispiele wie dieses gibt es viele. Meist dauert es Jahre, bis derartige Verfahren abgeschlossen werden – manchmal kommt es gar nicht dazu. Den gewünschten Effekt, Druck aufzubauen, erzeugt ohnehin schon das Verfahren selbst.

Junger Mann mit kurzen, dunklen Haaren trägt ein weißes Hemd und ein dunkles Sakko, neutraler Hintergrund.

Viktor Niedermayr.

Was man lange vor allem aus weniger gefestigten Rechtsstaaten kannte, greift inzwischen auch in westlichen Demokratien um sich. Kaum ein führender Politiker bleibt von strafrechtlichen Ermittlungen verschont, oft ausgelöst vom politischen Gegner. Die Grenzen zwischen rechtlicher Aufarbeitung und medialer Dramatisierung verschwimmen. Ermittlungsverfahren entwickeln sich zu öffentlichen Schauprozessen. Auch wenn strafrechtlich am Ende oft wenig dabei herauskommt, sind sie politisch ein wirksames Instrument zur Demontage des Gegners. In Österreich war dies in den vergangenen Jahren immer deutlicher zu beobachten. Das gefährdet das Vertrauen in staatliche Institutionen, denn: Wenn Strafverfolgung als politisches Werkzeug wahrgenommen wird, leidet nicht nur das Ansehen einzelner Personen, sondern das Fundament des Rechtsstaates selbst.

Ein Mann mit dunklen Haaren trägt einen dunklen Anzug, weißes Hemd und blaue Krawatte vor hellem Hintergrund.

Martin Kollar.

Der Trend bleibt nicht auf die Politik beschränkt. Auch Unternehmen sehen sich immer häufiger gezielten Kampagnen, Anzeigen oder medialen Vorverurteilungen ausgesetzt. Schon eine Anzeige kann erhebliche Reputationsschäden verursachen, Karrieren zerstören und Existenzen bedrohen. Die Wahrheit spielt dabei oft eine untergeordnete Rolle, weil es Jahre dauern kann, bis ein Urteil vorliegt oder ein Verfahren eingestellt wird. Dann ist die Berichterstattung allerdings meist viel weniger umfassend als beim Bekanntwerden der Vorwürfe. Entscheidend für die Betroffenen ist daher vor allem die erste Deutung, die über Medien und soziale Netzwerke erfolgt.

Fakt ist, dass Recht und Öffentlichkeit nicht getrennt gedacht werden können. Hier setzt Litigation PR an, die strategische Kommunikation rund um Gerichtsverfahren. Was früher als Grenzbereich zwischen Justiz und PR galt, ist heute etablierte Praxis. Immer mehr Kanzleien arbeiten bei öffentlichkeitswirksamen Verfahren mit Kommunikationsspezialisten zusammen. Diese Kompetenz wird auch immer wichtiger, denn immer dann, wenn Verfahren zu Schlagzeilen und Schlagzeilen zu Vorverurteilungen werden, entscheidet nicht nur der Sachverhalt, sondern auch die Kommunikation darüber, welche Wahrheit sich im öffentlichen Bewusstsein durchsetzt.

Zu den Autoren:
Viktor Niedermayr ist PR-Experte, Gründer von vi.pr Communications. Martin Kollar ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei AKELA.

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