Franz Werfel: Warum er nicht vergessen werden darf

Franz Werfel: Warum er nicht vergessen werden darf
Ein Autor, dessen Werke bis heute Leuchttürme der Humanität sind. Ein Gastkommentar von Johannes Schönner.

Vor 80 Jahren, im August 1945, verstarb Franz Werfel, einer der bedeutendsten österreichischen Literaten im US-Amerikanischen Exil. Eine Zeitlosigkeit im künstlerischen Schaffen, in Verbindung mit einer Sprache, die Alt-Österreich, seine Geburtsstadt Prag und seiner Lebens- und Heimatstadt Wien berührte, zeichneten ihn aus. Es findet sich in seinen Werken kein Anbiedern an Mächtige, aber auch keine Scheu, seine politische Meinung zu vertreten.

Er erkannte sowohl die Gefahren des Nationalismus als auch des Kommunismus. Hier ist Werfel, wenngleich in einem anderen literarischen Genre, mit Karl Kraus zu vergleichen. Werfel zeigte Verständnis für die Position von Dollfuß und Schuschnigg, zugleich lehnte er die autoritären und faschistischen Tendenzen der Heimwehr entschieden ab. Werfel kehrte nach 1938 nie mehr nach Wien zurück. Wie bei Stefan Zweig war die Vertreibung aus Wien gleichbedeutend mit dem Verlust seiner kulturellen Heimat. Als Jude anerkannte er den kulturhistorischen und humanistischen Antrieb des Christentums, ohne für deren Fehlentwicklungen in seiner Geschichte blind zu sein. „Der veruntreute Himmel“, „Jacobowsky und der Oberst“ und im Besonderen „Das Lied von Bernadette“ sind auch heute noch Leuchttürme der Humanität und eines persönlichen Bekenntnisses.

Franz Werfel: Warum er nicht vergessen werden darf

Johannes Schönner

Niemand aber, der je „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ gelesen hat, wird die Eindringlichkeit seiner zeitlosen Suche nach Menschlichkeit und Wahrheit jemals vergessen können. Nie galt sein Schreiben dem Kampf gegen Menschen oder Völker. Seine Kritik galt stets dem politischen Zynismus, der Ignoranz und der nationalistischen sowie der religiösen Besessenheit.

Das Schicksal der christlichen Armenier im Osmanischen Reich berührte ihn in seinem Innersten. Der Kampf um das Überleben einer Gruppe von Armenieren gerät bei Werfel zu einer Abrechnung mit dem politischen und chauvinistischen Fanatismus der zeitgenössischen Türkei. Schätzungen zufolge starben während des Ersten Weltkrieges zwischen 600.000 und eineinhalb Millionen Armenier. Erschlagen, erschossen oder zum Verhungern in die syrische Wüste geführt.

Messlatte

Seine Beweggründe, weshalb er dieses Buch schrieb, legen die Messlatte für Kunstschaffende, die sich politisch äußern, bis in die heutige Zeit sehr hoch. Nie vergisst Werfel die Vorgeschichte und alle Entwicklungslinien zu erwähnen, ehe er seine Protagonisten auf das schlichte Mensch-Sein im Mühlrad der Geschichte reduziert. Sein Buch schreibt „für die Armenier“, nie „gegen die Türken“. Seine Sympathien galten den Verfolgten und Bedrängten, den Heimatlosen und allen Minderheiten, die zwischen bedingungsloser Anpassung und Rebellion einen Lebensweg finden mussten. Tatsache bleibt, dass die „Vierzig Tage“ im nationalsozialistischen Deutschland verboten wurden und die Türkei bis heute in diesem Buch einen Hochverrat an der eigenen Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts erkennen möchte.

Zum Autor:

Johannes Schönner ist Geschäftsführer des ÖVP-nahen Karl von Vogelsang-Instituts.

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