Englands Migranten-Ping-Pong

Protesters attend an anti-immigration demonstration, in Epping
Das Hin- und Herschieben von Flüchtlingen zwischen England und Frankreich ist ein unwürdiges Schauspiel. Ein Gastkommentar von Melanie Sully.

Mitten in der sommerlichen Hitzewelle brodelte es in einigen englischen Städten. Die Migration ist ein heißes Thema. Laut einer Umfrage ist sie für Wähler wichtiger als Wirtschaft oder Gesundheit. Die Labour-Regierung unter Premier Keir Starmer hat die irreguläre Migration über den Ärmelkanal nicht unter Kontrolle. Gleichzeitig fordert die populistische Reform Party unter der Führung des Brexit-Befürworters Nigel Farage Labour in deren Hochburgen heraus.

Nach einem extravaganten Staatsbesuch in Großbritannien stimmte der französische Präsident Emmanuel Macron einem Deal zu. Einige Migranten, die mit kleinen Booten in England landen, werden nach Frankreich zurückgeschickt. Im Austausch werden Asylwerber mit legitimem Anknüpfungspunkt in Großbritannien von Frankreich legal nach England geschickt. Wähler, die ohnehin enttäuscht sind von einem unbeliebten Premier, werden von diesem Plan nicht überzeugt sein. Ebenso wird dieses Abkommen Asylwerber, die bereit sind, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, wohl kaum abschrecken. Diejenigen, die nach Frankreich zurückgeschickt werden, können ihr Glück abermals versuchen.

Englands Migranten-Ping-Pong

Melanie Sully

Auch die Zunahme an Bürokratie zur Überwachung dieses Abkommens und die teuren Abschiebeflüge werden auf wenig Zustimmung stoßen. Zudem kommen Asylwerber, die jünger als 18 Jahre sind und eine Gefahr für die Sicherheit des Schengen-Raums darstellen oder ihre Menschenrechte verletzt sehen, nicht in Frage. Überdies kann Frankreich Migranten zurückschicken, wenn bestimmte Kriterien nicht erfüllt sind. Kritiker befürchten, dass auf die Gerichte eine Flut von Menschenrechtsbeschwerden zukommen wird.

Das Hin- und Herschieben von Migranten über den Kanal ist ein unwürdiges Schauspiel. Auch nach dem Brexit blieb Migration ein heikles Thema, angeheizt durch die Politik mehrerer Regierungen sowie die Ankunft von Migranten aus der Ukraine und Hongkong. Zwar bereuen viele den Brexit, aber gleichzeitig wollen sie, dass Großbritannien seine Grenzen, Ausgaben und Gesetze selbst kontrolliert. Im ganzen Land kommt es zu Protesten gegen sogenannte Migrantenhotels. Unter den Demonstranten befinden sich nicht nur die üblichen Verdächtigen aus extremistischen Kreisen, sondern auch Familien, die sonst nicht auf die Straße gehen. Sie sind besorgt, dass junge Mädchen in Vierteln mit solchen Unterkünften der Gefahr sexueller Übergriffe ausgesetzt sind. Viele haben das Vertrauen in die Polizei verloren, für Ordnung zu sorgen. Weder offizielle Statistiken noch Argumente, die Migration als Vorteil für die Gesellschaft darstellen, werden wahrgenommen. Sie sehen ein kaputtes Land und sozialen Verfall.

Auf diesem Boden gedeihen Populisten, die Abschiebungen und der Einschränkung bzw. Abschaffung von Menschenrechten das Wort reden. Andere befürworten Personalausweise für Migranten, um illegale Beschäftigung einzudämmen. Der Ruf Großbritanniens als offenes Land mit vielfältigen und multikonfessionellen Gemeinden wird dadurch auf eine harte Probe gestellt.

Zur Autorin:

Melanie Sully ist eine britische Politologin in Wien.

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