Wer dreimal lügt...

Wer dreimal lügt...
„Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“, heißt es. Aber das bedeutet auch, dass sie irgendwann ans Licht kommt

Die Rhetorik dient unter anderem dazu, das böse Große klein und das kleine Gute groß wirken zu lassen. Ein kritischer Streifzug durch Politik, Kirche und Gesellschaft: Es gibt zahlreiche Abstufungen der Lüge. Ihr zentrales Charakteristikum ist, dass derjenige der lügt, weiß, dass er die Unwahrheit sagt.

Das unterscheidet die Lüge vom Irrtum. Die Absicht zu täuschen ist ihr zweites wesentliches Merkmal. Offenes Lügen oder Verschweigen wären in der Politik nicht so häufig vonnöten, spielte man mit offenen Karten.

Jeder politisch Interessierte weiß, dass nicht nur international, sondern auch in Österreich viele der wichtigsten Ämter wie auf einem Basar zwischen allen jenen Parteien ausgehandelt werden, die gerade an der Macht sind.

Warum also nur die schöne Fassade der offiziellen Koalitionsübereinkommen veröffentlichen? Warum nicht auch die zum Teil hässlichen Nebenabreden? Damit sämtliche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sehen, wie die Gewaltenteilung formuliert und wie sie tatsächlich gelebt wird.

Verschweigen, Leugnen...

Es darf bereits als „Erfolg“ gewertet werden, wenn in der politischen Praxis nicht offen gelogen, sondern nur verschwiegen wird. Dazu die immer gleichen indezenten gegenseitigen Schuldzuweisungen als integraler Bestandteil des politischen Alltags. Das oftmals wortgleiche Leugnen, bis es gar nicht mehr anders geht, weil die Beweise zu erdrückend sind. Danach nur noch die rhetorische Zuflucht zum Bagatellisieren.

Die etwa 1800 Jahre alte Sentenz des Aulus Gellius „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“, was soviel bedeutet wie „Mit der Zeit gelangt die Wahrheit ans Licht“, gilt für alle Sterblichen, selbst für Päpste.

Als Dogmatiker führte Joseph Ratzinger einst die vatikanische Glaubenskongregation und nützte deren kirchenrechtlichen Möglichkeiten bis zum Äußersten. Beispielsweise dazu, einige der engagiertesten und klügsten Vertreter der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung gnadenlos in die Knie zu zwingen.

Singuläre Alterspension

Man muss schon bis ins 15. Jahrhundert zurückgehen, um einen weiteren Papst zu finden, der, wenngleich aus anderen Gründen, ebenfalls auf das Amt verzichtete. Damit hat es der bayerische Fundamentaltheologe zustande gebracht, dieses Amt, dem die einzigartige Aura des Berührungspunktes mit der Transzendenz anhaftet, zu profanisieren, zu relativieren und vielleicht sogar nachhaltig zu beschädigen.

Der Antritt seiner Alterspension jährt sich in Kürze zum neunten Mal und nur die allerheitersten Kleriker halten ihm im Angesicht jüngster Entwicklungen noch die Treue. Klerikale Lügen und Vertuschungen sind strukturell kaum von jenen der Politik zu unterscheiden. Wie in der Politik werden auch vonseiten der Kirche viele Missbräuche erst dann zugegeben, wenn es nicht mehr anders geht. Dagegen war bereits Aristoteles„ Mahnung überaus differenziert: Wahrhaftigkeit sollte als Tugend nicht nur in bedeutsamen Anlassfällen zum Tragen kommen, sondern gerade in jenen Fällen „wo es nicht darauf ankommt“ (Nikomachische Ethik).

Paul Sailer-Wlasits ist Sprachphilosoph

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