Welches Universitätsbild zeichnet deren Vertretung?

Welches Universitätsbild zeichnet deren Vertretung?
Unabhängige Universitäten fungieren notwendigerweise auch als Institutionen der kritischen Erkenntnis in der Wissenschaft

Die Empörung über die neue Universität, die nur für die Zwecke der oberösterreichischen Industrie gegründet würde, nimmt an Lautstärke zu: Vor allem die arrivierten Universitäten tragen diese Empörung medial immer lauter aus. Verwundert nimmt der Betrachter der Entwicklung der österreichischen Universitätslandschaft diese offenbar neue Sicht zur Kenntnis.

Umso verwunderter ist der Betrachter deshalb, weil vor gar nicht so langer Zeit eine Broschüre der Universitätenkonferenz – der Vertretung der österreichischen Universitäten – erschienen ist, die den Titel „wirtschaftliche und gesellschaftliche Effekte von Universitäten“ trägt: „Universitäten bringen viel mehr als sie kosten“, nämlich „6,3 Milliarden für die Wirtschaft“, steht da. Als zweiter wichtiger Punkt wird hervorgehoben, dass „57 Prozent der Großunternehmen mit heimischen Hochschulen kooperieren“. Ein Spitzenwert in der Europäischen Union.

Die Universitäten seien eine „Stimulation der Wirtschaft am Standort“ usw. Dass dann abschließend auch noch kurz die Bedeutung für die Gesellschaft vorkommt, muss der Vollständigkeit halber natürlich noch erwähnt werden.

Dem muss ein anderes Bild von Universität entgegengestellt werden: Die heutige Zivilgesellschaft braucht unabhängige Universitäten als Institutionen der kritischen Erkenntnis in den Natur- und Geisteswissenschaften. Diese Erkenntnis strukturiert die Lehre und Forschung der autonomen Universität, nicht die positive Wissensvermittlung mit praktischer Zielsetzung in der Marktverwertung.

Deshalb sind Universitäten auch keine Schulen, die ihr „Know-how“ weitergeben. Die Universität ist auch nicht wahrheitsfähig im Sinne unumstößlicher Dogmen, weil ihre Antriebskraft die Skepsis, der Zweifel ist. Die Erkenntnis ist daher immer nur vorläufig.

Dies zu transportieren wäre als Gegenargument gegen die offensichtlich als „Digitalisierungsschule“ konzipierte oberösterreichische Einrichtung von der Universitätsvertretung einzufordern. Damit könnte auch ein Beitrag zum Unverständnis der Zivilgesellschaft über die angeblichen „Streitereien“ unter Experten und Expertinnen geleistet werde.

Das kritische Auseinandersetzen mit einem bestimmten Problem wie der Pandemie folgt in seiner Erörterung Regeln, die auf Universitätsboden eingeübt sind. Sie ermöglichen es, dass jeder Teilnehmer noch einmal – immer im Rahmen des „Sinnvollen“ – zurückfragen kann, Schritte bezweifeln kann, die schon konsensuell vollzogen wurden.

Sie ermöglichen auch, dass auf Nebenwege hingewiesen wird, die sich für das Problem als relevant erweisen könnten. Das Ergebnis ist offen, der kritische vernünftige Einspruch bleibt jederzeit möglich. Die Ergebnisse werden publiziert und an der gesamten Erkenntnis nimmt in einem hohen Maß die Öffentlichkeit teil.

Das Elfenbein ist längst durch Glas ersetzt. Diese Diskussion wäre von den Universitätsvertretern zu führen, nicht die nach Neiddebatte klingenden Geldverlustklagen. Oder haben die arrivierten Universitäten tatsächlich die Frage nach der Notwendigkeit von Universitäten für sich so beantwortet, wie in der Broschüre nachzulesen ist?

Günther R. Burkert ist Professor für eGovernance an der Donau-Universität Krems.

Kommentare