Tausendundeine Macht

Tausendundeine Macht
Die zentrale Rolle des Sports im Nahen Osten

Es ist keine acht Jahre her, da startete Präsident Xi Jinping eine nie da gewesene Offensive. Der Fußball sollte nach China rollen. Der Staatschef wollte die weltbeliebteste Sportart im bevölkerungsreichsten Land der Erde gesellschaftlich verankern. Das Investitionsprogramm war beispiellos. Staatskonzerne gingen auf Einkaufstour und erwarben Anteile von Parade-Klubs im Inland und Ausland. Stars und Know-how wurden herangekarrt. Fußball wurde als Schulfach eingeführt. Ziel war die Austragung der WM 2030 im Heimatland, der nächste Ronaldo sollte ein Chinese sein und bei 1,3 Milliarden Menschen gab es eine realistische Chance auf das Jahrhunderttalent.

Die Euphorie war riesig, fünf Jahre später aber verpuffte die Goldgräberstimmung von einem auf den anderen Tag und der Masterplan verschwand in den Schubladen des Zentralkomitees. Diesen Silvester unterschrieb Cristiano Ronaldo, 37, beim saudischen Klub Al Nassr. Mit kolportierten 225 Millionen Euro ist „CR 7“ der bisher teuerste Transfer in der Geschichte des Fußballs. 2017 wechselte Neymar für 185 Mille zu PSG, der Sporthochburg der Katari – zu einem Zeitpunkt, als Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate den Boykott gegen Katar anführten. Ronaldos Engagement ist der erste Schritt, Katar die Vormachtstellung abzukaufen und Saudi-Arabien in den sportlichen Mittelpunkt im Nahen Osten zu stellen.

Ein breiteres Engagement in der Formel 1, die gemeinsame Bewerbung mit Ägypten und Griechenland für die Fußball-WM 2030, die Bewerbung für den Asien-Pokal der Frauen 2026 und die Olympischen Spiele 2036 sind Säulen von Kronprinz Mohammed bin Salmans Reformplan „Vision 2030“. Damit versucht der Herrscher, das über sieben Jahrzehnte verwurzelte Image eines geheimnisvollen Königreichs zu ändern, das seinen Ölreichtum nutzte, um eine ultrakonservative Interpretation des Islam zu fördern. Cristiano Ronaldo hat eine Schlüsselrolle.

Der fünfmalige Ballon-D’Or-Gewinner hat 800 Millionen Follower auf den sozialen Medien, mehr Fans als jeder andere Mensch auf der Welt, und verhalf dem Saudi-Klub zu weltweiter Bekanntheit. Was Beckham bei der WM für die Kataris war, ist Ronaldo für die Saudis – ein PR-Tool für beinharte Machtpolitik. Für gewöhnlich postet Ronaldo über sich, seinen Körper, seine Tore und bringt Werbepostings. Was aber, wenn er seine Popularität erstmals nützt, um der Welt Substanzielles mitzuteilen? Was, wenn seine Botschaft auf einmal tatsächlich Gewicht hat? Wenn sie am Ende sogar Sinn stiftet und Brücken baut? Sport, ein Milliardenbusiness, allzu gerne als Allheilmittel romantisiert und mit Werten überladen, kann nicht alle Herausforderungen lösen, an denen die Politik regelmäßig scheitert. Ronaldo ist gefordert. Erstmals mehr abseits des Platzes als in seinem natürlichen Habitat, dem Strafraum.

Bernd Fisa ist sportpolitischer Berater.

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