Rami ist nicht das Problem
Verfassungsrichter zu sein, ist in Österreich ein Nebenjob. Seit über einem Jahrhundert in der Bundesverfassung so festgeschrieben, ist jüngst eine Diskussion darüber entbrannt.
Entfacht wurde diese von der nahezu hysterischen Kritik am Verfassungsrichter und Rechtsanwalt Michael Rami durch den österreichischen Boulevard – etwa wegen seiner Rolle als Medienanwalt für den gefallenen ehemaligen Burgtheaterstar und Publikumsliebling Florian Teichtmeister oder wegen der Tatsache, dass Ramis Kanzlei (wie so viele andere auch in diesem Land) Covid-Hilfen während der Pandemie bezog. Befeuert wird die Diskussion nun ausgerechnet durch eine Wortmeldung des Verfassungsgerichtshofpräsidenten Christoph Grabenwarter höchstpersönlich, der via Kleine Zeitung ausrichten ließ, man habe „intern mehrfach versucht, Kollegen Rami zu mehr öffentlicher Zurückhaltung in der Ausübung des Anwaltsberufs zu bewegen“.
Warum diese öffentliche Kritik Grabenwarters ausgerechnet Rami trifft, darüber lässt sich nur spekulieren. Denn wenn es wirklich um Problemfälle im aktuellen Kollegium der Verfassungsrichter ginge, dann wären ganz andere Namen zu nennen gewesen. Potenzielle (und regelmäßige) Befangenheitsfälle gibt es nämlich eine ganze Menge. Und würde Grabenwarter seinen moralisierenden Standard auch auf die restlichen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs anwenden, dann hätte er mit dem Finger auf andere zeigen müssen.
Da befindet sich etwa ein prominenter Wirtschaftsanwalt mit entsprechenden Mandanten und Funktionen im Kreis der ehrwürdigen RichterInnen. Oder eine auf Arbeits- und Sozialrecht spezialisierte Anwältin, deren Ehemann gleichzeitig über Jahre Direktor der Arbeiterkammer Wien war.
Ein anderer Richter ist Miteigentümer einer der größten Steuer- und Wirtschaftsberatungskanzleien des Landes – mit entsprechender Mandantschaft.
Ganz zu schweigen von all den Funktionen in Privatstiftungen und Beteiligungsverwaltungsgesellschaften, die von der ehrenwerten Richterschaft am Verfassungsgerichtshof so nebenbei ausgeübt wird – bis hin zu Aufsichtsratsfunktionen in renommierten Banken. All das scheint kein Problem zu sein für den VfGH-Präsidenten.
Keinem und keiner dieser VerfassungsrichterInnen hat Grabenwarter via Medien ausgerichtet, dass er oder sie sich im Beruf zurückhalten soll.
Warum also ausgerechnet Michael Rami? Rami wurde 2018 vom Bundesrat für den Verfassungsgerichtshof nominiert. Ob nun von der FPÖ (wie von vielen behauptet) oder doch eher von der Kurz-ÖVP, das sei dahingestellt. Zum Verfassungsgerichtshof und dessen Arbeit hält sich Rami bei öffentlichen Wortmeldungen jedenfalls extrem zurück. Wo also liegt das tatsächliche Problem für Grabenwarter?
Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen
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