ORF-Stiftungsrat: Das Problem-Gremium

ORF-Stiftungsrat: Das Problem-Gremium
Der ORF braucht eine Reform des politisierten Stiftungsrates

Der ORF hat ein Problem. Das Problem sind jedoch nicht die über politische Interventionen im eigenen Haus berichtenden Journalisten, wie Stiftungsrat Heinz Lederer an dieser Stelle kommentierte. Im Gegenteil: Transparente Berichterstattung ist der einzig mögliche professionelle Umgang mit Interventionen.

Das Problem des ORF ist seine Gremienstruktur: Die 35 Mitglieder des Stiftungsrats als oberstes Aufsichtsorgan sollten im besten Interesse des Unternehmens entscheiden, der Publikumsrat repräsentiert laut ORF-Gesetz die Hörer und Zuseher. Doch die Mehrzahl der Mitglieder beider Gremien wird direkt oder indirekt von politischen Parteien nominiert. Das bedingt geradezu Interventionen. Loyalität ist Ehrensache: Das Abstimmungsverhalten funktioniert entlang schwarz/türkiser, roter, blauer und grüner sogenannter „Freundeskreise“ reibungslos und vorhersagbar.

Da verwundert es wenig, dass für „Sideletters“ zu Regierungsprogrammen Jobs ausgehandelt werden. Und die Überraschung, dass ein FPÖ-Parteichef auf Anraten eines Chefredakteurs dem FPÖ-Stiftungsratvorsitzenden schreibt, zu welchen Sendungen er bei wem und wie intervenieren soll, hält sich in Grenzen.

Die Leidtragenden sind die professionell arbeitenden Journalisten, die Bürger, die Demokratie. „Es gibt ohne Zweifel Reformbedarf“, sagt auch Stiftungsratsvorsitzender Lothar Lockl. Dabei ist die Unabhängigkeit der Aufsichtsorgane des ORF in unserer Verfassung verankert. Die notwendigen Reformen sind längst bekannt: Auswahl der Stiftungsräte nach klar definierter Expertise, öffentliche Hearings und eine stärkere und wahrhaft repräsentative Vertretung der Zivilgesellschaft.

Detaillierte Vorschläge liegen auf dem Tisch, allein es fehlt der politische Wille der Parteien – spätestens, wenn sie an der Macht sind. Zu vertraut sind die Freundeskreise. Die Bevölkerung hingegen sehnt sich nach Fachkompetenz. Zahlreiche GIS-Zahler haben, nachdem im Frühjahr Publikumsratsbesetzungen besonders unverhohlen aus ÖVP-Netzwerken erfolgt waren, eine Popularbeschwerde des Presseclub Concordia für die Unabhängigkeit des ORF unterstützt, damit die in der Verfassung verankerte Unabhängigkeit endlich auch im ORF-Gesetz und in der Realität ankommt.

Dem „Leiter des roten Freundeskreises im ORF-Stiftungsrat“, wie sich Heinz Lederer auf seiner Website präsentiert, gefällt diese Forderung nicht – und noch weniger, dass ihr in der ORF-Berichterstattung Nachdruck verliehen wird, dass aufgearbeitet, nicht zugedeckt wird. Also fügt er der aktuellen Debatte um blaue und türkise Interventionen auch noch rote Akzente hinzu. Der Stiftungsrat werde „Konsequenzen“ zu ziehen haben. Das stimmt. Aber diese Konsequenzen sind eben gerade nicht Gängelung und weitere Zurufe an die Redaktion aus dem Stiftungsrat, sondern dessen überfällige Reform.

Daniela Kraus ist Generalsekretärin des Presseclub Concordia

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