Neue Regierung und LGBTIQ: Leben oder Ideologie?

Neue Regierung und LGBTIQ: Leben oder Ideologie?
Das LGBTIQ-Kapitel im Regierungsprogramm ist kein Meilenstein. Ein Gastkommentar von Deborah Benjamin Kaufmann.

Die im neuen Regierungsprogramm unter dem Titel LGBTIQ aufgelisteten Punkte sind in der Breite der Gesellschaft weitgehend unkontrovers und hätten längst umgesetzt sein müssen. Darunter befinden sich etwa „ein datenschutz- und grundrechtskonformes Eizellen- und Samenspendenregister“ und die „Prüfung einer Rechtsbereinigung, die vielfältige Familienkonstellationen, wie gleichgeschlechtliche Paare und Alleinerziehende, rechtlich besser anerkennt und gleichstellt“. Beides dürfte mehrheitlich nicht queere Personen betreffen. Umso bemerkenswerter ist es, dass diese Punkte dennoch an dieser Stelle im Regierungsprogramm aufgeführt sind. Auch 2025 können in Österreich offensichtlich Rechte für queere Personen nicht als solche benannt werden, sondern müssen zwischen jenen für nicht queere Personen versteckt werden.

Das erinnert an das Wahlprogramm der SPÖ, das gleiche Rechte für alle fordert, „egal, ob sie heterosexuell, cisgeschlechtlich oder queer sind“. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn aber im Abschnitt zu Queer-Politk zwei von drei hervorgehobenen Gruppen nicht queere Menschen sind, ist das dennoch eine Themenverfehlung. Wirft man einen Blick in die Wahlprogramme der anderen beiden Koalitionsparteien, so kommt das Thema auf 270 Seiten bei der ÖVP gar nicht vor, bei den Neos wird es in zwanzig Worten abgehandelt. Am dort formulierten Anspruch, „Österreich vom Nachzügler zum Vorreiter machen“ zu wollen, scheinen die Neos mit diesem Regierungsprogramm bereits gescheitert. Progressive Positionen fehlen.

Neue Regierung und LGBTIQ: Leben oder Ideologie?

Deborah Benjamin Kaufmann

Pubertätsmedikamente

FPÖ und ÖVP planten ein „Verbot von Hormonbehandlungen (z.B. Pubertätsblocker) […] unter 18 ohne medizinische Indikation“. Im neuen Regierungsprogramm wurde daraus die „wissenschaftliche Prüfung der Behandlungsrichtlinien für eine strengere Handhabung bei Pubertätsblockern, sofern diese medizinisch nicht notwendig sind.“

Während zuletzt in vielen liberalen Demokratien die rechtlichen Regelungen zu Pubertätsblockern angepasst wurden, um trans Jugendlichen den Zugang zu ihnen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern und rechtlich abzusichern, will Österreich augenscheinlich den umgekehrten Weg gehen.

Keines der Medikamente, die trans Personen einnehmen, wurde eigens für sie entwickelt. Pubertätsverzögernde Medikamente wurden zur Unterdrückung früher Pubertäten zugelassen, was die Wachstumsphase verlängert und zur Normierung von Körpern durch die Unterbindung mancher Formen von Kleinwüchsigkeit führt. In einigen Ländern werden deshalb auch zukünftige Leistungssportlerinnen, in Disziplinen, bei denen Körpergröße von Vorteil ist, mit solchen Medikamenten behandelt. Zeitgleich verabschieden immer mehr Sportverbände sehr restriktive Richtlinien, die insbesondere intergeschlechtlichen und trans Frauen die Teilnahme an Wettkämpfen verunmöglichen. Oft sind davon allein trans Frauen ausgenommen, die eine hormonelle Transition vor der Pubertät begonnen haben. Mit einer solchen Gesetzgebung wäre auch diese „Lücke“ geschlossen und allen trans Frauen de facto die Teilnahme am Leistungssport versagt.

Kompromiss

Dabei sind Pubertätsblocker bereits der Kompromiss. Nur selten wollen trans Personen diese Medikamente einnehmen, meist ist ihr Wunsch direkt mit einer Hormonersatztherapie zu beginnen. Häufig werden die weitgehend nebenwirkungsfreien Pubertätsblocker verschrieben, weil gesetzliche Vorgaben eine Hormontherapie erst mit der Volljährigkeit erlauben oder unter dieser Schwelle das Einverständnis der Erziehungsberechtigten voraussetzen. Mit diesen Medikamenten werden nicht nur unumkehrbare körperliche Veränderungen unterdrückt, sie führen auch zu deutlich geringeren Depressions- und Suizidraten unter trans Jugendlichen.

Während dieselben Medikamente also weiter verwendet werden, um sportliche Vorteile zu sichern oder einer Körpernorm zu entsprechen, wird nun darüber nachgedacht, sie dort, wo sie nachweislich Leben retten, zu verbieten. Das zeugt von einem hochproblematischen Verständnis von Medizin, welches das Patientïnnenwohl ideologischen Überlegungen unterordnet.

Deborah Benjamin Kaufmann ist Dichterin, Publizistin und Policy-Beraterin.

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