Liebe Grüße aus Minsk

Was haben wir gelacht, als der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko vor wenigen Wochen die Inflationskrise in seinem Land einseitig für beendet erklärte. Mit starker Hand verbot er den Unternehmen per Dekret und mit sofortiger Wirkung, ihre Preise anzuheben. Problem gelöst! Selbst internationale Statistikämter werden in Belarus in den kommenden Jahren Inflationsraten von exakt null Prozent messen. Wie konnten die überstudierten westlichen Ökonomen diese Möglichkeit nur übersehen? Ein oder zwei Austauschsemester an der Wirtschaftsfakultät der Belarussian State University in der Karl-Marx-Straße 31 (kein Scherz) in Minsk, würden ihnen sicher guttun.
Doch das Lachen kann einem nur im Halse stecken bleiben, wenn man die politischen Debatten in Westeuropa verfolgt. Deckel und Bremsen, wohin das Auge blickt. Der Gedanke, dass man knappe Güter verbilligen kann, indem man nur an der Preisschraube dreht, ist auch im demokratischen Europa nicht totzukriegen.
Aber ökonomische Fakten können auch Brüssel nicht stoppen. Vergangenen Dienstag stellte die EU-Kommission ihre Ideen dazu vor, wie man den Gaspreis nach unten bringen könnte. Erfreulicherweise sind auch Überlegungen dabei, die in der Tat Erfolg versprechen.
Zum Beispiel scheint man sich der gemeinsamen Gasbeschaffung immerhin anzunähern, nachdem vor allem Deutschland seine Blockadehaltung endlich aufgegeben hat. Aber interessanter ist zweifellos die „dynamische Obergrenze“, mit der man sich die Preise am Handelspunkt TTF gefügig machen will. Wenn diese zu hoch sind, sollen sie einfach wieder sinken. Ganz dynamisch.
Für LNG möchte man sich überhaupt gleich einen ganz neuen Index ausdenken; frei von Übertreibungen und Spekulation. Den LNG-Baronen in Louisiana wird davon wohl kaum die Zigarre aus dem Gesicht fallen. Dann schippern sie ihr Flüssiggas eben wieder nach Asien. Es ist schon erstaunlich, wie wir ein Konzept, das vor einigen Monaten vielleicht noch als Sanktion gegen Russland durchgegangen wäre, nun gegen Norwegen und Algerien in Stellung bringen, als ob sie unsere Feinde wären – und nicht Putin. Eine ernsthafte Idee, wie wir in Europa über den Winter kommen, gibt es leider noch nicht. Daher macht nun jeder sein eigenes Ding. In Österreich steht zu befürchten, dass einfach die misslungene Strompreisbremse auf den Gasmarkt übertragen wird. Und weil das gegenüber jenen Haushalten, die nicht mit Gas heizen, als unfair wahrgenommen würde, muss man wohl auch ihnen ein paar hundert Euro zukommen lassen. Klüger wäre der deutsche Vorschlag, der sozial sehr viel treffsicherer ist und auch Sparanreize bietet. Winteranfang ist in zwei Monaten. Und sollten die Temperaturen bis dahin zu stark sinken, erfinden wir einfach das Thermometer neu.
Jan Kluge ist Ökonom beim wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria.
Kommentare