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Ihr Plan bitte, Herr Staatssekretär!
Ein Digitalisierungsschub für KMUs ist dringend notwendig.
Es kommt auf die Größe an. Zumindest, wenn es um den Digitalisierungsstand österreichischer Unternehmen geht: Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind digital zukunftsfit. Bei diesen großen Unternehmen war die Corona-Pandemie sogar ein zusätzlicher Digitalisierungsturboschub – Stichwort Homeoffice. Aber wie schaut es bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Verwaltung und Rechnungswesen mit der Digitalisierung aus? Wir haben das mit dem Befragungsinstitut TQS repräsentativ erhoben und das Ergebnis ist ernüchternd. Neun von zehn KMU-Geschäftsführer:innen sagen: Ja, Digitalisierung ist wichtig! Aber: In sechs von zehn KMUs sind „digitale Workflows“ ein Fremdwort und papierlose Büros ferne Zukunftsmusik. Unternehmen mit höchstens 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern versenden mehrheitlich nicht einmal Lohnzettel digital. Gerade einmal die Arbeitszeit wird automatisiert erfasst. Kleine Unternehmen bieten auch so gut wie keine Möglichkeiten zum Homeoffice an.
Und: Corona hat dabei exakt nichts beschleunigt – da haben viele kleine und mittlerer Unternehmen schlicht und einfach ums wirtschaftliche Überleben gekämpft. Unternehmen, die es nicht schaffen, Geschäftsprozesse zu digitalisieren, vergeben Chancen und verlieren Boden im Wettbewerb. Die Zukunft ist digital – wer da nicht mitkann, hat es schwer. Dazu kommt: Diese Unternehmen werden nur extrem schwer Fachkräfte finden. Junge digital-affine Menschen, denen Homeoffice sehr wichtig ist, gehen in keine analogen Unternehmen, die kein Homeoffice anbieten. So gut kann das Gehalt gar nicht sein.
Unsere Umfrage zeigt: Es scheitert bei KMUs nicht am Digitalisierungswillen, es fehlen in den meisten Fällen die Ressourcen für die digitale Umstellung von Geschäftsprozessen. Da kann man sich schon die Frage stellen: Was wurde eigentlich aus den vielen Digitalisierungsoffensiven von Regierung, Kammern und Interessenvertretungen? Sind die überhaupt jemals angekommen? 99 Prozent der Unternehmen sind KMUs. Sie sind das Rückgrat der heimischen Wirtschaft. Sollen die analog und offline in die Zukunft?
Die gute Nachricht zuerst: Es braucht keine zusätzlichen Digitalisierungsmilliarden oder „Jetzt-aber-wirklich“-Pressekonferenzen: Es braucht einen Plan! Und die Erkenntnis, dass es keine 08/15-Digitalisierungs-Lösungen gibt.
Es braucht maßgeschneiderte Beratung und Ansätze für die Anforderungen der kleinen und mittleren Unternehmen. Hier sehe ich den neuen Digitalisierungsstaatssekretär in der Verantwortung. Auch Kammern und Interessenvertretungen mit ihren Strukturen. Der Weg ist klar: Bedarf erheben, individuell beraten und auf die Unternehmen zugeschnittene technologische Lösungen angehen. Kleine und mittlere Unternehmen beschäftigen in Österreich zwei Millionen Menschen. Diese Unternehmen dürfen den digitalen Anschluss nicht versäumen!
Michael Dessulemoustier ist Geschäftsführer und Partner beim Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen Mazars Austria.
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