Europa braucht eine neue Industriepolitik

Die Welt ändert sich rasch. Die Industrie bleibt der Motor für Dynamik und Arbeitsplätze. Nicht nur in Industriebetrieben im engeren Sinn auch bei Dienstleistungen, die von der Industrie abhängen.
Immer hat es Staatseinfluss gegeben, früher auch eine verstaatlichte Industrie – mit geringem Erfolg.
Heute hängt Industriepolitik oft mit der Globalisierung zusammen, die Lieferketten sind lange und Zwischenprodukte kommen von weit.
Neue Probleme
Zuletzt gibt es neue Trends. Es ist nicht mehr so leicht, alles jederzeit und billig von überall zu bekommen. Kriege, neue Bündnisse, das Aufstreben Chinas und der Versuch Amerikas, an der Spitze zu bleiben, sind neue Probleme. De-Risking, Near-Shoring wird heute angestrebt, also mehr Sicherheit und nahen Zulieferungen.
Industriepolitik war oft Protektionismus, meist von Ländern, die aufholen wollten. Jetzt versuchen die USA die stärksten Eingriffe. Sie wollen mit neuen Gesetzen China abhalten zur Industrienation Nr. 1 zu werden, Vorprodukte aus dem Inland oder aus „befreundeten“ Nationen werden bevorzugt, Defizite bei Chips, mittleren und kleineren Elektroautos, alternativer Energie bleiben.
Die heutige US-Politik schadet Europa und macht die USA zum Lieferanten von Öl und Gas, das scheint kurzfristig für Amerikaner ein Vorteil, für die Klimapolitik ist es ein Nachteil.
Bis zur nächsten Präsidentenwahl wird das so bleiben – und wahrscheinlich länger.
Europa versucht eine grüne Industriepolitik, teilweise beschlossen von der Kommission und dem Parlament, aber auch da sind Lobbyisten und Populisten dagegen.
Waffen zu produzieren, scheint oft vordringlich, Forschung und Investitionen in Neues wäre wichtiger. Künstliche Intelligenz wird viel können, muss aber gesteuert werden. Und Europa sollte Defizite aufholen, bei Chips und kleinen Elektroautos.
Wir müssen unsere Städte umstrukturieren, damit man nicht mehrere Stunden zur Arbeit oder zum Einkauf fahren muss. Subventionen für große Landwirtschaftsbetriebe und fossile Energie sollten reduziert werden. Dann kann die Industrie besser planen und mehr forschen.
Qualifizierte Zuwanderung
Die Chancen und Probleme sind vielfältig, Partnerschaft der Industrie mit Universitäten und Nachbarn im Osten und Süden wären wichtig. Dann werden Industriearbeitsplätze geschaffen und wir nutzen qualifizierte Zuwanderung. Sie hilft bei Arbeitskräfteknappheit und stärkt den Industriestandort.
Österreich ist ein Industrieland, mit hohem und relativ stabilem Industrieanteil. Aber es muss stärker werden, wenn es in der neuen Weltordnung mitgestalten will, auch den Wiederaufbau der Industrie in der Ukraine unterstützten, gemeinsame Projekte mit den Nachbarn. Industriepolitik ist Gesellschaftspolitik.
Karl Aiginger war Chef des WIFO. Er leitet die Europaplattform Wien Brüssel.
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