Ein Plädoyer für „Preise runter“

Ein Plädoyer für „Preise runter“
Wie man die Teuerung sinnvoll bekämpfen könnte

Österreich gehört zu den wenigen Ländern der Europäischen Union, die angesichts Teuerungswelle fast ausschließlich auf nur ein Instrument setzen: die Entlastung über einen Dschungel von einmaligen Transfers und Steuererleichterungen. So begrüßenswert einige der Elemente des nunmehr 3. Maßnahmenpakets sind, wie etwa die Valorisierung einiger Sozialleistungen und die leider nur einmalige Erhöhung der negativsteuerfähigen Absetzbeträge, so offensichtlich sind die Schwachstellen.

Nur ein paar Beispiele: die Einmalzahlungen helfen nur vorübergehend, ihre Wirkung wird rasch verpuffen. Viele Sozialleistungen müssten eigentlich über die Armutsgrenze von 1.371 Euro (12 Mal) gehoben werden.

Die Senkung des Unfallversicherungsbeitrages wird als Entlastung tituliert, entlastet werden aber – dauerhaft – überwiegend große Unternehmen. Die Leidtragenden sind die Arbeitnehmer:innen, denen jährlich über 100 Mio. Euro für Unfallversicherung und -prävention verloren gehen.

Die Abgeltung der kalten Progression ist sicherlich sinnvoll, das konkret gewählte Modell führt aber dazu, dass besonders die oberen Einkommen am meisten profitieren, und das dauerhaft.

Es fehlen unmittelbar inflationsdämpfende, preisregulierende Maßnahmen im Bereich von Energie, Wohnen und Lebensmittel. Die Begründungen dafür sind unterschiedlich. Besonders unverständlich ist das Argument von Wirtschaftsliberalen, ein Eingriff in den Preisbildungsprozess würde die Effizienz der Märkte beeinträchtigen. Selbst die Europäische Kommission erkennt mittlerweile an, dass das aktuelle Energiemarktdesign alles andere als effizient ist.

Dieses System, das vor 20 Jahren den Sinn hatte, die damals noch teuren erneuerbaren Energieträger im Markt zu halten, ist heute dysfunktional. Maßnahmen wie ein Gaspreisdeckel für die Kraftwerke – idealerweise in enger Abstimmung mit Deutschland – würden es erlauben, die Stromkosten für die Konsument:innen deutlich zu reduzieren wie internationale Beispiel zeigen (Portugal und Spanien).

Es gibt auch hausgemachte Inflationstreiber, die den ursprünglichen Energiepreisanstieg enorm verstärken; für einige davon müsste auch die Europäische Union Verantwortung übernehmen. Dazu zählt auch die wenig beachtete Rolle der spekulativen Übertreibungen an den Energiemärkten, im Bereich der Lebensmittel- und Rohstoffe und zunehmend am Wohnungsmarkt. Die Miet-Preisspirale ist ein weiterer, für viele Mieter:innen besonders schmerzvoller Inflationstreiber, der absolut nichts mit der kriegsbedingten Inflationsentwicklung zu tun hat. Hohe importierte Energiepreise übertragen sich sukzessive auf die Preise anderer Güter. Je früher man in diese Wirkungskette eingreift, desto geringer sind letztlich die fiskalischen Kosten für Entlastungen.

Helene Schuberth leitet das Volkswirtschaftliche Referat im ÖGB.

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